Die Hamburger Symphoniker zelebrieren Robert Schumanns Meisterwerk nach Goethe

Hamburg. Als Jeffrey Tate nach langer Krankheit erstmals wieder das Podium der Laeiszhalle betrat, umarmte ihn sein Publikum mit einem besonders herzlichen Applaus. Welcome back, Maestro! Und das sollte nicht der letzte Gänsehautmoment des Abends bleiben - auch musikalisch war es ein bemerkenswertes Sonderkonzert.

Tate und seine Hamburger Symphoniker widmeten sich den "Szenen aus Goethes Faust" von Robert Schumann. Ein sträflich vernachlässigtes Stück, irgendwo zwischen weltlichem Oratorium und Chorsymphonie angesiedelt, in dem der Komponist einzelne Stationen aus Goethes Tragödie aufgreift und die Seelenzustände der Figuren nachzeichnet - mit feinen Farbnuancen und schwelgerischen Melodien, aber auch dramatischem Furor. Hinreißend, wie sich Faust und Grete bei ihrer ersten Begegnung anschmachten, beängstigend, wie das junge Mädchen später bei der Szene im Dom von Chor und Mephisto förmlich niedergewalzt wird.

Eine Aufführung dieses Meisterwerks steht und fällt mit den Solisten. Und da hatte Tate eine erstklassige Riege am Start: Juliane Banse gab das Gretchen - mit rotem Kleid und sinnlich leuchtendem Sopran - weniger unschuldig als fraulich, der Bass Georg Zeppenfeld zeichnete sein Mephisto-Porträt mit galligen Vokalen und giftigen Konsonanten, und Steve Davislim betörte durch sein geschmeidiges Tenortimbre.

In der Titelpartie beeindruckte der britische Bariton Simon Keenlyside mit kernig-maskulinem Strahl. Dabei hätte er mitunter durchaus etwas weniger Kraft aufwenden und stattdessen liedhafter gestalten dürfen - denn die Symphoniker ließen den Sängern viel Raum. Das Orchester reizte Schumanns breite Ausdruckspalette bis ins zarte Pianissimo aus und folgte seinem wiedergenesenen Chef, abgesehen von ein paar Wacklern, hoch konzentriert.

Abgerundet wurde das Gesamtbild durch die Tölzer Knaben und den fantastischen lettischen Chor Latvija: Manchen Moment, wie etwa das sanfte Wiegen zu Beginn des zweiten Teils ("Waldung, sie schwankt heran") hätte man am liebsten mit Fausts Worten festhalten wollen: Verweile doch, du bist so schön!