Die Batsheva Dance Company aus Tel Aviv eröffnet mit “SADEH21“ die Kampnagel-Spielzeit.

Der israelische Choreograf Ohad Naharin ist immer für Überraschungen gut. Keines seiner Werke gleicht dem anderen, auch wenn sie eine klare Ästhetik und die charakteristische explosive Dynamik in der Bewegungssprache auszeichnet. Seit 1993 ist die Batsheva Dance Company aus Tel Aviv regelmäßig zu Gast in Hamburg und hat sich eine treue Anhängerschaft erobert. Zuletzt war "MAX" 2009 beim Internationalen Sommerfestival zu sehen. Am 29. September eröffnet die Europapremiere von "SADEH21" die Kampnagel-Spielzeit.

Wie schon in "MAX" verwendete Naharin beim Erarbeiten der neuen Choreografie seine spezielle, über Jahre entwickelte Bewegungssprache "Gaga". Die Methode ist keineswegs durchgeknallt, vielmehr verspricht sie - bezogen auf den Körper - "eine Erfahrung von Freiheit und Freude" (Naharin), an der Profitänzer wie auch Laien teilhaben können. "Gaga" verhilft zu gesteigertem Körperbewusstsein, trainiert biodynamische und leistungsfähige Bewegung, Flexibilität, Geschwindigkeit und ungewohnte Abläufe: Ganzkörpertanz wechselt mit minimalen Gesten ab, Ruhe mit Bewegung, ballettartige Figuren kontrastieren moderne Tanzformen. Wesentlich sind aber der Spaß am Tanzen, am Spüren des Körpers beim Drehen, Fallen, Springen und Ausreizen von physischen Grenzen. Individualität bis zum Äußersten auszukosten ist ebenso gefordert wie das Entwickeln von Gefühl für synchrone Abläufe, wie es Naharins Compagnie beeindruckend exakt beherrscht.

Das Ensemble präsentiert sich auch bei "SADEH21" im Einklang des gemeinsamen Atems und Rhythmus', zeigt aber in brillanten Soli, die das Stück eröffnen, oder in den expansiven kraftgeladenen Gruppen-Formationen die Verschiedenartigkeit der einzelnen Tänzer und ihre ausgeprägten Persönlichkeiten. Duette und Gruppenpassagen wechseln in den filmartig und rasant geschnittenen Tanzszenen auf dem weiten "Feld" - so die Übersetzung des Titels "SHADE" - vor der Mauer ab.

Wände, Mauern und Linien aus Licht begrenzen, teilen oder spalten die Bühnenräume für Naharins Tanzstücke. Sicherlich auch ein Hinweis auf die geistigen wie territorialen Blockaden und Sperrgebiete im Nahostkonflikt. Doch nur politisch will Naharin seine Choreografien nicht verstanden wissen, auch wenn er nie seine kritische Meinung gegenüber Maßnahmen der Regierung verschwiegen hat.

Indes lassen seine suggestiv kontrastreichen Bewegungsbilder stets auch an das Ringen der Gruppe um eine menschliche Gemeinschaft denken. Sie drohen antagonistische Kräfte individuellen, religiösen oder kulturellen Ursprungs zu sprengen.

SADEH21 29.9.-1.10., jew. 20.00, Kampnagel (Bus 172, 172), Jarrestr. 20, Karten zu 8,- bis 36,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de