Als Vater mit der Zauberflöte heimkehrte, da ahnte ich, dass sich von nun an etwas verändern würde. Bis dahin hatte Vater sich weder fürs Zaubern noch fürs Flöten interessiert, doch in jener Nacht schien alles anders. Es roch auch schon so.

Er habe sie gefunden, sagte er, während sein Oberkörper vor- und zurückschwankte. Das Zimmer roch nach Vaters vergangenen Stunden. Vermutlich war er in der Kneipe gewesen und hatte sich vor Euphorie auf den nackten Oberkörper geschlagen. Schweiß war gespritzt.

"Ein Sauberflöte", sagte er. "Eine richtige Zauberflöte."

Ich richtete mich auf, und eine Weile lauschte ich dem quietschenden Pfeifen, das Vater dem langen Stab entlockte. Dann machte ich Licht.

Die Flöte sah auf eine unhygienische Art unästhetisch aus. Sie schien lange im Dreck gelegen zu haben und war im Grunde auch nicht sofort als Flöte zu erkennen. Ein langes Rohr mit Löchern darin, in das Vater rotgesichtig und angestrengt hineinblies. Davon angestachelt, pfiffen draußen richtige Vögel, deren Silhouette ich auf der Fensterbank ausmachen konnte.

Ich war etwa 13, und Vater erklärte, es sei die Flöte der Pubertät, auf der der Vater dem Sohne etwas vorblase, damit die Schlange der Männlichkeit in ihm erwache, sich aufrichte und einen Keil zwischen sie treibe. Ob ich das verstände?

"Ja", verneinte ich.

Auch sein Vater sei nachts mit einer Flöte heimgekehrt und habe sie gespielt. Am Tag darauf habe er meine Mutter kennengelernt, wenig später mich gezeugt. Er legte mir Hand samt Flöte schwer auf den Kopf.

Das Spiel der Zauberflöte ist mit den Jahren zu einem festen Ritual geworden. Nur dass es nicht mehr der Vater ist, der die Flöte spielt - neudeutsch nennt man das Outsourcing. Am 29.9. wird in der Staatsoper auf der "Zauberflöte" gespielt. Und Scharen junger Knaben werden dorthin ziehen und als Männer diesen heiligen Ort wieder verlassen.