Hamburg. Beethovens Quartettkoloss op. 130 gilt als Inbegriff des sperrigen Spätwerks. Wenn das Ensemble Resonanz seine zehnte Saison ausgerechnet mit diesem Stück beginnt, dann ist das auch eine Botschaft: ein Bekenntnis zur Widerborstigkeit, zu einer Musizierhaltung, die den Hörer nicht berieseln, sondern berühren und aufrütteln will.

So weit die Theorie.

In der Praxis irritierte das Kammerorchester dann aber gerade durch den Mangel an Irritationen. Beim umjubelten Konzert im Kleinen Saal der Laeiszhalle spielten die 17 Streicher mit viel Herz und Leidenschaft, sie schufen dichte Spannungsbögen und magische Momente - wunderbar etwa der hypnotische Sog im "Alla danza tedesca". Aber auf Dauer wirkte das in der ersten Hälfte trotz leichter Intonationstrübungen ein bisschen zu schön, um wahrer Spät-Beethoven zu sein.

Und das lag nicht nur daran, dass die Streichorchesterversion schon durch die größere Besetzung runder klingt als die originale Quartettfassung. Nein, das schien auch Ziel der Interpretation zu sein: weil die schroffen Kontraste oft durch eine eher milde Tongebung abgefangen wurden, weil die Musiker Beethovens zersplitterte Motivpartikel immer wieder liebevoll zusammenbanden.

Vielleicht war das ja die Idee des früheren Quartettgeigers Andreas Reiner, der das Stück mit dem Ensemble einstudiert hat. Im Podiumsgespräch nach der Pause sagte Reiner sinngemäß, die Komposition sei eigentlich gar nicht so modern wie gemeinhin angenommen. Er amüsierte sich über die Reaktionen von Beethovens Zeitgenossen, denen die harschen Klänge damals chinesisch vorkamen - anstatt zu sehen, dass dieses Verstören, dieses mutwillige Vor-den-Kopf-Stoßen auch heute noch zum Wesen der Musik gehört.

Deren zeitlos revolutionäre Sprengkraft war dann erst am Schluss, in der Großen Fuge, so richtig zu spüren. Und so formten die Resonanzler eine streitbare Beethoven-Deutung, die Diskussionen provoziert. Aber genau dafür lieben wir sie ja auch.