Die Mozart-Nummernrevue “The Giacomo Variations“ gastierte in der Staatsoper

Hamburg. War es Zufall oder termingerechte Hommage, dass die x-te Wiederholung des Films "Gefährliche Liebschaften" (1988) über das erotische Ränkespiel unter französischen Adligen des 18. Jahrhunderts Montagabend im NDR lief? Schließlich stand der Darsteller des aasigen Vicomte de Valmont kurz vor Ausstrahlungsbeginn selbst auf der Bühne der Staatsoper, 23 Jahre und eine Weltkarriere älter: John Malkovich, seit damals und noch immer der Verführer vom Dienst.

Und war es Zufall oder höhere Fügung, dass Malkovich dort gerade mal eine Woche nach der Premiere des von Doris Dörrie zugerichteten "Don Giovanni" mit einem unterhaltsamen Opern-Pasticcio auftrat, das einen die materialverschlingenden Unzulänglichkeiten der neuesten Staatsopern-Produktion besonders deutlich spüren ließ? Malkovich spielt in der Wiener Tournee-Produktion "The Giacomo Variations", die sich die Elbphilharmonie-Konzerte für ihre Saisoneröffnung gönnten, den berühmtesten Schürzenjäger: Giacomo Casanova.

Zu Musik aus Mozarts Da-Ponte-Opern entfalten sich hübsche Parallelaktionen aus Casanovas Memoiren und Nummern aus "Figaro", "Don Giovanni" und "Cosí fan tutte". Aus der Not, dass Malkovich zwar glänzend schauspielern, aber trotz heißen Bemühens nicht wirklich singen kann, machte Regisseur Michael Sturminger die Tugend, ihn und seine Schauspieler-Partnerin Ingeborga Dapkunaite durch ein Sängerpaar doppeln zu lassen.

Malkovichs drei Kollegen sangen und spielten eine Vielzahl von Rollen und Casanova-Inkarnationen, er selbst beschränkte sich auf Facetten des gealterten, höchst unruheständlerischen Liebesdieners. Sein Bühnen-Englisch machte es Sprachkundigen leicht, die manchmal arg verknappten deutschen Übertitel zu ignorieren. Ingeborga Dapkunaite spielte das anrührend Schlichte genauso überzeugend wie die komischen Partien. Nach leichten Durchsetzungsschwierigkeiten zu Beginn sang sich Sophie Klußmann mit ihrem schlanken, lyrischen Sopran in die Herzen des Publikums. Bariton Florian Boesch spielte seine buffonesken Rollen aus und sang mit kerniger Musikalität. Martin Haselböcks Orchester Wiener Akademie begleitete leise und doch plastisch; gegenüber der "historisch informierten" Spielweise von Youngs Philharmonikern beim "Don Giovanni" ging von diesem Mozartklang ein Vielfaches an Spiel und Eros aus.

Schade, dass es häufiger mit der Übertragungstechnik haperte - und dass das Ensemble so häufig wohl nicht zusammen auf der Bühne steht. Denn die Inszenierung ist geistreich und gelassen lustig, und sie entlässt nicht mit einer knalligen Pointe, sondern mit einer intimen Lebensabschiedsszene. Herzbewegend bröcklig singt Malkovich schemenhafte Fragmente der Canzonetta "Deh, vieni alla finestra".

Irgendwann ertappte man sich kurz beim Träumen davon, dass es in Hamburg, der Musikstadt in spe, eines Tages eine solche Produktion schafft, anstelle der üblichen Tango- oder Flamenco-Shows als Sommerbespielung in die Staatsoper zu kommen. Als One-Night-Stand ist sie viel zu schade.