Eine Ausstellung in Berliner Martin-Gropius-Bau dokumentiert 1000 Jahre kultureller Nachbarschaft

Berlin. Am Anfang steht Adalbert. Der erste Märtyrer, den das deutsch-polnische Verhältnis hervorgebracht hat. Nackt und kopflos eröffnet die Skulptur die Schau im Berliner Martin-Gropius-Bau, über ihr hängt ein rotes Neon-Beil, aus dem Korpus tropft neongrünes Blut. Es ist eine demonstrative Erinnerung: Die Prußen haben den Heiligen 997 bei Danzig erschlagen. Sie wollten nicht missioniert werden.

Die Elektroinstallation von Miroslaw Balka markiert den Anfang der 800 Exponate umfassenden Ausstellung, die sich vorgenommen hat, das schwierige deutsch-polnische Verhältnis zu beleuchten. Titel: "Tür an Tür. Polen - Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte". Anlass ist die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Polen, zudem jährt sich die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages gerade zum 20. Mal.

Nicht zuletzt dank dieses Vertrags seien die Beziehungen "normal" geworden, hat Wladyslaw Bartoszewski gesagt. Der ehemalige polnische Außenminister hat die Entstehung der Schau wissenschaftlich begleitet und war bei der Eröffnung selbst etwas sprachlos angesichts der Fülle von Ausstellungsstücken. Tatsächlich ist der Besucher am Ende des Rundgangs durch 19 Säle überwältigt. Ihm schwirrt der Kopf von den dynastischen Bezügen zwischen Jagiellonen, Wettinern, Hohenzollern und Habsburgern. Zu viele Exkurse, zu viele Details verstellen die Sicht auf historische Entwicklungsstränge. Was sollen ihm die Reisebilder des Pfalzgrafen Ottheinrich sagen? Die venezianischen Golddukaten? Er freut sich, in den Bergen von Bildern, Büchern, Karten und Urkunden Vertrautes zu finden. Zum Beispiel Menzels "Borussia". Auch wenn er nicht weiß, warum.

"Wir wollten einen polnischen Blick auf die deutsch-polnische Geschichte", hat Joachim Sartorius, der Intendant der Berliner Festspiele, gesagt. Deshalb wurde Anda Rottenberg, Programmdirektorin des Warschauer Nationalmuseums, gebeten, die Ausstellung zu kuratieren. Rottenberg sagt, das kulturelle Gedächtnis der Polen wie der Deutschen sei von Gefühlen und Vorurteilen geprägt und stünde oft im Widerspruch zur Geschichtsforschung. Eine politische Ausstellung sei nicht ihr Anliegen gewesen. Vielmehr sei es ihr darum gegangen, die gemeinsame Geschichte in der Kunst widerzuspiegeln.

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die wichtigen Marksteine dieser Geschichte in einem Dialog herauszudestillieren. Möglicherweise finden sich die polnischen Besucher, auf die die Berliner Festspiele hoffen, in Rottenbergs Ausstellung zurecht - dem deutschen Besucher gibt sie zu viele Rätsel auf. Ihm erschließt sich neben dem überwältigend schönen Veit-Stoß-Raum nur das bittere Kapitel über den Zweiten Weltkrieg, das unter anderem bewegende Briefe aus Auschwitz aufbietet. Des Kühlraums, durch den er am Ende von dem Berliner Künstler Georg Schneider geschickt wird, bedarf er jedenfalls nicht mehr. Dass die deutsch-polnischen Beziehungen immer noch frostig sind, hat er bereits beim Anblick von Balkas Adalbert begriffen.

"Tür an Tür. Polen und Deutschland", Martin-Gropius-Bau, bis 9. Januar 2012, Eintritt 12 Euro, ermäßigt 7 Euro, Katalog 22 Euro