Das Hamburger Kunstprojekt, unsere Galerie der Woche in Barmbek, zeigt das Werk von Inge Buschmann, das mit düsteren Vorahnungen spielt

Galerie Kunstprojekt. Hamburgs Hochschulen für kreative Berufe haben in der Nähe und östlich der Alster ihren Platz. Mehr als tausend Studenten gehen regelmäßig zwischen der Uhlenhorst und der Mundsburg ihrer Ausbildung nach, von freier Kunst bis zum Modedesign.

Das aber war's dann auch schon mit der kreativen Herrlichkeit in Hamburgs Osten. Die wenigen Galerien, die hier zu finden sind, muss man schon suchen wie das berühmte gallische Dorf im Imperium Romanum, mit der Lupe also.

Zum Beispiel in der Gluckstraße nahe der U-Bahn Hamburger Straße. Im Hinterhof einer Wohnstraße, in den ehemaligen Räumen eines Orgelbauers, betreibt Nils Schoenholtz sein Hamburger Kunstprojekt. Er ist ein Galerist und Kunsthistoriker, der sich vor knapp 20 Jahren verstärkt auf hanseatische Künstler konzentrierte, mittlerweile seine Fühler aber auch über die Stadtgrenzen hinaus ausstreckt.

Aktuell präsentiert Schoenholtz wieder eine Hamburger Position, allerdings mit Einschränkung. Denn mit Inge Buschmann ist bei ihm eine Pendlerin zwischen den Kontinenten, zwischen der Hansestadt und dem australischen Byron Bay zu Gast. Ihre Bilder, auf den ersten Blick ganz dem Realismus verpflichtet, weisen sogar hin und wieder australische Zitate auf. Irgendwo baut sich da im Hintergrund ein roter Felsen auf, der verdächtig nah an australische Vorbilder erinnert.

Doch Querverweise wie diese sind bei Inge Buschmann sekundär, mehr zufällig als beabsichtigt. Ihre Kunst ist kaum auf Wiedererkennbarkeit der realen und geografischen Orte ausgerichtet. Und doch spielt sie mit ganz konkreten Orten, mit inneren Orten und Schauplätzen, die sich zwischen Bedrohung, Unheimlichkeit, moderner Melancholie und Einsamkeit ansiedeln. Alles scheint in ihren Bildern an seinem Platz, der stahlglänzende Seziertisch im Obduktionsraum genauso wie der Astronaut im schwarzen Vakuum des Weltraums. Eine beängstigende Weltordnung, von der aus sich Verlassenheit, Katastrophenstimmung, stiller Alarm und Unwirklichkeit breitmachen. Was bleibt ist ein Moment der Unentschiedenheit. Werden hier die Klischees der modernen Zivilisationsleere bedient oder offengelegt? Diese nie zu beantwortende Frage zieht sich im Hamburger Kunstprojekt wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung mit dem Titel "True Lies".

Vor drei Jahren publizierte Nils Schoenholtz mit der Künstlerin ein Fotoalbum. Darin abgebildet sind zahlreiche Schnappschüsse, die Inge Buschmann auf ihren Reisen gelungen sind: Straßenschilder am Kangaroo Point, Brisbane, ein Bootskelett in Carriacaou, Karibik, oder ein zum Schalter umgebauter Container in Spanien. Die meisten dieser betont farbigen Motive kommen ohne den Menschen aus, einige zeigen ihn allein, mit dem Rücken zur Wand oder hinter einem Paravent als Sichtschutz.

Fotos wie diese dienen der Künstlerin auch als Vorlagen für ihre Bilder. Sie kombiniert sie neu, montiert sie zu Kompositionen, in der alles wie akkurat ausgeschnitten, wie belebt-unbelebt wirkt. Ein leicht hölzern-realistischer Raum öffnet sich, in dem sich die dunkel-düsteren Visionen der Inge Buschmann zwischen Bühnenprospekt und Kinomalerei bewegen. Ob der Mann im weißen Ganzkörper-Schutzanzug auf einer orangen Bank in New Yorks U-Bahn eine bevorstehende Katastrophe signalisiert oder nur sein böses Spiel mit unseren ererbten Katastrophenbildern treibt, bleibt da ungewiss.

In dieser sichtbaren Ambivalenz bewegt sich auch eine einzelne Person innerhalb einer zehnteiligen Serie. Zu sehen ist ein Mann vor oder hinter einer Tür zweier Räume. Es könnte ein Galerie-, ein Museumsbesucher sein, der mal wie ein Wartender, Suchender, Sitzender und mal wie ein Forschender in den Räumen der Einbildungskraft umherirrt.

Inge Buschmann: True Lies Galerie Hamburger Kunstprojekt (U Hamburger Straße), Gluckstraße 53a, bis 29.10., Di-Fr 14.00-18.00, Sa 10.00-14.00, T. 20 97 64 ; www.hamburgerkunstprojekt.de