Der Sitar-Meister bringt sein Lebenswerk in Ton und Bild heraus

Jahrzehntelang, so erklärt Ravi Shankar, haben Plattenfirmen in aller Welt seine Musik veröffentlicht, ohne ihn an der Auswahl der Kompositionen zu beteiligen. Manchmal wurden Ragas einfach umbenannt, manchmal in kleinen Portionen auf "New Age"-Sampler gepackt und damit des spirituellen Kontextes beraubt, in dem sie entstanden sind. Das Label "East Meets West Music", das der Sitar-Meister und wohl berühmteste Vertreter nordindischer Klassik, gegründet hat, soll diesen Mangel beheben helfen und nur tatsächlich Hörenswertes in die Läden bringen. Für die CD-Reihe "Nine Decades" hat der 90-jährige Shankar nun das Beste aus Tausenden Stunden Material heraussucht.

Teil eins ist gerade erschienen und führt in die späten 60er-Jahre. Damals war Ravi Shankar im Westen zu einer Art Popstar geworden, trat beispielsweise bei den Festivals in Monterey und Woodstock auf - und hasste es. Das Publikum war laut, vorwiegend vollgedröhnt, bisweilen wurde gar vor der Bühne kopuliert. Für einen tief spirituellen Menschen wie Ravi Shankar, für den die Musik Ausdruck des Göttlichen ist, ein Affront, wie er in seiner Biografie "Raga Mala" schreibt.

Umso glücklicher war Shankar, wenn er tatsächlich vor einem Publikum auftreten konnte, das die enorme Tiefe seiner Musik schätzte. Zum Beispiel 1968 am Ufer des Ganges, in der Nähe des hinduistischen Pilgerorts Allahabad. Hier spielte Ravi Shankar begleitet von seinem langjährigen Mitstreitern Alla Rakha (Tabla) und Kamala Chakravarty (Tanpura) den Raga Gangeshwari. Eine 48-minütige Meditation voll lyrischer Momente und von erstaunlicher Klangqualität.

Lange vergriffen und jetzt auf DVD erhältlich ist die Dokumentation "Raga", die Regisseur Howard Worth 1971 für George Harrisons Firma "Apple Films" drehte. Darin nimmt Ravi Shankar den Zuschauer mit auf eine Reise durch Indien, besucht seinen musikalischen Guru und ist in einem aufregenden Duett mit Geiger Yehudi Menuhin zu erleben. Ein wunderbarer Archivfund, dem in den nächsten Jahren viele folgen sollen. Und mehr als das: "East Meets West Music" will neuen Talenten ein Forum bieten. Eine so große wie wichtige Aufgabe, denn die indische Klassik hat nicht nur eine große Vergangenheit, sondern hoffentlich auch eine große Zukunft.

Ravi Shankar: Nine Decades, Vol.1 und Raga (East Meets West Music/Harmonia Mundi); www.ravishankar.org