Das Lindenau-Museum in Altenburg gilt als kultureller Geheimtipp. Nun kommen die wichtigsten Renaissance-Werke nach Hamburg.

Altenburg. Die Sammlung ist weltberühmt, das Museum kennen aber fast nur Insider. Wenn es einen kulturellen Geheimtipp gibt, dann ist es das Lindenau-Museum im thüringischen Altenburg. Es besitzt eine einzigartige Kollektion früher italienischer Malerei, die bei Ausstellungen in Italien und Frankreich als Sensation gefeiert wurde, von deren Existenz aber in Deutschland kaum jemand zu wissen scheint. Vielleicht ändert sich das jetzt, denn vom 1. Oktober an zeigt das Bucerius-Kunst-Forum in "Die Erfindung des Bildes. Frühe italienische Meister bis Botticelli" etwa 40 der 180 Tafeln.

"Dass wir die größte Sammlung früher italienischer Malerei außerhalb Italiens haben, verdanken wir dem Museumsgründer Bernhard August von Lindenau", erklärt Jutta Penndorf, die das Museum seit 30 Jahren leitet. Es ist mehr als ein kleines Wunder, dass die Sammlung, die er Anfang des 19. Jahrhunderts zusammengetragen und seiner Heimatstadt geschenkt hat, Kriege, Kommunismus und alle Zeiten des Mangels fast unbeschadet überstanden hat und nun zu den "kulturellen Leuchttürmen" Ostdeutschlands zählt.

Wer das etwa 40 Kilometer südlich von Leipzig gelegene 36 000-Einwohner-Städtchen besucht, gewinnt ein Gefühl für den kulturellen Reichtum, den das jahrhundertelang zersplitterte Deutschland auch jenseits der Metropolen zigfach hervorgebracht hat. Die Stadt hat alles, was eine Residenz brauchte: ein Schloss, ein Theater, Kirchen, Bürgerhäuser und eben auch Museen, darunter das 1875 fertiggestellte Gebäude des Lindenau-Museums, dessen Sandsteinfassade an Sempers Dresdner Gemäldegalerie erinnert.

Doch anders als in vielen anderen Residenzen war dieses Museum eben keine fürstliche Gründung, sondern ging auf die Privatinitiative eines aufgeklärten Staatsmanns, Gelehrten und Kunstsammlers zurück. Lindenau (1979-1854) wollte in seiner Heimatstadt "eine Kenntnis schöner Vorbilder der Malerei, Bau- und Bildhauerkunst und damit eine höhere, geläuterte Bildung des Geschmacks" verbreiten. Auf einer Italienreise 1843/44 kaufte er 40 Tafelbilder, weitere Werke früher Renaissancemaler erwarb er von einem Leipziger Kunsthändler und dem Dresdner Galeriedirektor. Die Sammlung mit Werken von Guido da Siena bis Botticelli wuchs auf 180 Holztafeln an, in der die Schulen von Siena und Florenz besonders gut vertreten sind.

Und was ist aus diesem großartigen Erbe geworden? Martin Roth, der neue Direktor des Londoner Victoria and Albert Museums, hat das Lindenau-Museum als "Sleeping Beauty" bezeichnet, was nicht heißen soll, dass die Museumsleute in Altenburg schlafen. Aber der Etat ist äußerst beschränkt, und ob die Stadt, die das Haus gemeinsam mit dem Landkreis trägt, tatsächlich weiß, welches Kleinod sie damit hat, darf man getrost bezweifeln. "Das Museum wird geachtet und geschätzt, aber nicht geliebt", hat Museumsdirektorin Jutta Penndorf einmal zu Protokoll gegeben. Sie führte dieses Haus schon zu DDR-Zeiten mit großem Engagement und Fortune. Nach der Wende konnte sie spektakuläre Ausstellungen in Siena, Florenz und Paris organisieren und 2009 mit Mitteln des Landes, der Kulturstiftung der Länder und der Hermann-Reemtsma-Stiftung ein großes Konvolut von Arbeiten des bedeutenden Künstlers Gerhard Altenbourg erwerben. Und wenn man der Museumspädagogin Angelika Wodzicki zuhört, wie sie Besucher durch die Abteilung der frühen Italiener führt, wie sie die Bilder erklärt und deutet, Symbole erklärt und Begeisterung weckt, dann spürt man, wie sehr sich die Menschen hier ihrem Museum verbunden fühlen.

Vor einigen Tagen sind die Lastwagen einer auf Kunsttransporte spezialisierten Spedition mit den Altenburger Bildern am Hamburger Rathausmarkt vorgefahren. Behutsam haben die Restauratoren die teilweise mehr als 700 Jahre alten Holztafeln ins Bucerius-Kunst-Forum gebracht, sie nach einer Akklimatisierungsphase ausgepackt und gehängt. Noch ist nicht alles fertig, doch am 1. Oktober werden die Kunstschätze perfekt platziert sein - und nicht nur von der Kunst der italienischen Frührenaissance zeugen, sondern auch von einem großartigen Museum einer kleinen Stadt in Thüringen.

Die Erfindung des Bildes. Frühe italienische Meister bis Botticelli 1.10.-8.1.2012, tägl. 11.00-19.00, Do -21.00 Bucerius-Kunst-Forum (U/S Jungfernstieg), Rathausmarkt 2, Eintritt 8,-/erm. 5,-, Ki. u. Jgdl. unter 18 J. frei; www.bucerius kunstforum.de und www.lindenau-museum.de