Ein Stimmungsbericht von Joachim Mischke

Die gute alte Klassik-Diva - Opernsängerin, knapp über den Rand der Hysterie hinweg aktiv - ist auch nicht mehr, was sie mal war. Früher wurden von ihr schon mal ganze Garderoben oder wenigstens Intendanten wegen eines falsch temperierten Mineralwässerchens oder anderer Nichtigkeiten zerlegt. Das traut sich ja heute keiner mehr, wäre schlecht für den Ruf und damit fürs Konto.

Wie tröstlich, dass nun auch ein Nicht-Sänger leicht unangenehm auffällt. Der russische Pianist Jewgenij Kissin gönnte sich bei seinen Australien-Debüts in Brisbane und Sydney den Luxus, örtliche Klavierstimmer zu verschmähen und stattdessen einen Klaviertechniker aus England einfliegen zu lassen. Es war also fast, als wäre Horowitz wieder auferstanden, der keine Taste anfasste, die ihm nicht sein Adlatus Franz Mohr gerichtet hatte - und nichts vor seinen Konzerten essen mochte, was nicht Seezunge war.

Die australischen Klavierstimmer waren jedenfalls gar nicht erfreut über diese Missachtung ihrer Fähigkeiten; ihr Verband hat angekündigt, sich deswegen beim Kultusministerium zu beschweren. Wann Kissin seinen nächsten Auftritt down under haben wird, ist noch nicht bekannt. Aber statt eines Klaviertechnikers sollte er tunlichst ein Friedenspfeifchen dabeihaben. Damit ihn die verstimmten Stimmer nicht in einer konzertierten Aktion ins Outback schicken.