Hamburg. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Der Aufstieg der Hamburger Camerata aus dem tiefen Tal des Schlendrians, begonnen schon in den letzten Monaten der vergangenen Saison, führt sie inzwischen zu bislang unerklommenen Höhen engagierten Musizierens. Das war am Mittwoch anlässlich des Saisoneröffnungskonzerts in der Laeiszhalle, das zugleich Festkonzert zum ersten vollendeten Camerata-Vierteljahrhundert sein sollte, zu bestaunen. Unter der Leitung des dirigierenden Pianisten Ralf Gothóni und mit ihrem neuen Konzertmeister Gustav Frielinghaus spielte sich die Camerata beherzt, freudig und ihrer Sache sicher durch ein allerdings recht sonderbar komponiertes Festprogramm.

Die muntere, kaum je aufgeführte Sinfonie Nr. 1 C-Dur des "Freischütz"-Komponisten Carl Maria von Weber und Haydns wohltuend unmartialische "Militärsymphonie", die mit ihrem duftigen Swing, sanftem Triangelgebimmel, Becken- und Standpaukenschlägen und der zarten Trompetenfanfare eher an Musik zur Pferdedressur denken ließ, rahmten zwei Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert ein. Samuel Barbers "Adagio for Strings" gilt spätestens seit 9/11 als die amerikanische Volkstrauerhymne schlechthin. Wie hatte sich diese endlose Tränenzieher-Melodie ins Geburtstagsständchen verirrt? Als echter Show-Stopper nach der Weber-Sinfonie erwies sich das "Tirol Concerto" für Klavier und Streicher von Philip Glass, das Gothóni vom Flügel aus leitete. Das Stück wirkt fast wie eine Karikatur von Minimal Music. Man sah ihn lebhaft vor sich, den Kaiser, wie er zu diesen von den Schneidern mitgebrachten Klängen vor dem Spiegel seine neuen Kleider anprobiert.