Die Lesung der Bestsellerautorin Cornelia Funke wird in 32 Bücherhallen übertragen

Hamburg. Der Applaus brachte sie her. 111 Kinder klatschten gestern in der Zentralbibliothek der Bücherhallen Cornelia Funke herbei. "Das habe ich noch nie gemacht. Ging prima. Ich habe mich nur einmal verlaufen", sagte sie und lächelte ihr Lächeln, das immer mal ins Verschmitzte kippt.

Ungeschminkt, mit blondem Pferdeschwanz und grauem T-Shirt, so stieg sie für die Lesung im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals auf das Podium der Kinderbibliothek. Der Schöpferin der berühmten Tinten-Trilogie, größter deutscher Exportartikel der Kinder- und Jugendbuchszene, liegt jede Eitelkeit fern.

Die Gewinner eines Malwettbewerbs waren zu der Lesung in der Kinderbibliothek eingeladen, die Funke den Bücherhallen zum 111. Jubiläum geschenkt hatte. Die Bilder mit Motiven aus Cornelia Funkes Büchern hingen an der Rückwand: "Tintenherz" stand auf vielen; sie zeigten Tauben, Gärten und immer wieder Meerjungfrauen - ein gemalter Querschnitt durch Funkes Oeuvre. Nur ihren neuen Roman "Geisterritter", aus dem sie auch las, kannte kaum eines der Kinder.

Cornelia Funke hat die Gabe, mit ihren Zuhörern gleichsam barrierefrei in Kontakt zu treten, ohne anbiedernd oder belehrend zu wirken. "Ich lese das zum ersten Mal", sagte sie. "Ich werde mich ganz oft verlesen. Ihr müsst sehr geduldig mit mir sein." Sie sagte es so, dass ganz klar war: Es ist kein bisschen schlimm, wenn man sich mal bei etwas vertut.

Kinderbuchautoren haben das unbestechlichste Publikum, das man sich nur denken kann. Ihre Leser interessieren sich nicht für Stargehabe und pseudoliterarisches Geschwurbel. Sie wissen sofort, ob sie jemanden mögen oder ob sie etwas interessiert, und sie bleiben genauso lange dran, wie beides gegeben ist. Ihre Rückmeldungen sind selbst dann schonungslos, wenn sie gar nicht unfreundlich sein wollen. In der Kinderbibliothek lauschten sie mit offenen Mündern und schief gelegten Köpfen.

Der Titel sagt es schon: Die Autorin verbindet in der Geschichte des elfjährigen Jon Whitcroft zwei Lieblingssujets ihrer jungen Leser. "Geisterritter" ist erstaunlich düster für die Kinder ab zehn Jahren, an die sich der Roman richtet. Aber Funke milderte die Spannung immer wieder altersgerecht ab. Für das gänzlich ungruselige, grandios komische erste Kapitel schlüpfte sie mit ihrer wandelbaren Stimme in Jons Rolle und gedachte all der Terrorakte, mit denen er den Stiefvater hatte vergrätzen wollen, vom Babybrei im Schuh bis zum Juckpulver im Mundwasser. Dann wieder war sie Jons Mutter, die ihrem ins Internat abgeschobenen Sohn für die Reise gleich neun Schokoriegel einpackte - so schlecht war ihr Gewissen.

Wer nicht zu den Gewinnern gehörte, der konnte die Lesung in allen 32 Stadtteilbibliotheken Hamburgs über Livestream verfolgen. Doch Funke wäre nicht Funke, wenn sie nicht auch an die Kinder gedacht hätte, die die Lesung nur am Bildschirm erlebten. Das Gemeinsame prägt ihre Bücher. Jon besteht die Gefahren nur mit seiner Schicksalsgefährtin Ella. Und von der Kinderbibliothek aus schickten die Autorin und ihr Publikum erst einmal einen Begrüßungsapplaus hinaus.