Der Thalia-Schauspieler Felix Knopp ist in “Über uns das All“ in seiner ersten Kinorolle zu sehen

Abaton-Kino. Mit einem Zitat aus Büchners "Woyzeck" bringt Felix Knopp das Problem seines ersten Kinofilms auf den Punkt: "Der Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht." In Jan Schomburgs Film "Über uns das All", der mit der Hamburg-Premiere an diesem Donnerstag in den Kinos anläuft, ist Knopp als Medizindoktorand Paul Sabel dieser Abgrund. Seine Frau Martha, gespielt von Sandra Hüller, ist diejenige, die hinabsieht. Martha und Paul gelten als glückliches Paar, sie ist Lehrerin, er erfolgreicher Doktorand. Stolz erzählt er, dass sein Doktorvater seine Dissertation "einen Meilenstein" genannt habe.

Beide wollen zusammen nach Marseille gehen, wo Paul eine hoch dotierte Stelle annehmen will. Er reist nach Frankreich ab, Martha soll zwei Tage später folgen. Während sie Kartons einpackt, klingelt es an der Tür. Zwei Polizisten teilen ihr mit, dass Paul sich auf einem Parkplatz in Frankreich das Leben genommen hat.

Es ist der erste Kinofilm für den arrivierten Theatermimen Felix Knopp. Seit 2001 spielt er am Thalia-Theater und ist auf Hauptrollen abonniert, fürs Kino blieb da keine Zeit. Seit dieser Spielzeit gehört er nicht mehr fest zum Ensemble, ist nur noch als Gast zu sehen. "Im Theater verspielen sich manchmal schon ein paar Dinge", sagt er, "aber beim Film geht das nicht. Dort läuft auch emotionaler Ausdruck über klare und konzentrierte Gedanken, die von der Kamera gelesen werden müssen." Diese Hochspannung, die in dem "Und bitte!" des Regisseurs kulminiert, bevor die Klappe fällt, empfindet er als reizvoll.

Bei der Darstellung des Paul musste der 35 Jahre alte Schauspieler sich enorm zurücknehmen, um die Risse in der Filmfigur anzudeuten. "Ich hatte den Gedanken einer latenten Entschleunigung. Paul ist immer etwas zu spät, wartet oft einen Moment zu lange. In ihm steckt die Apathie eines Menschen, der am Abgrund steht, denn eigentlich hat er sich schon aus dem Leben verabschiedet."

Felix Knopps Partnerin Sandra Hüller begibt sich als Martha auf die Spurensuche dieses für sie völlig unverständlichen Freitods. Sie erfährt, dass ihr Mann ein Hochstapler gewesen ist, der schon vor Jahren sein Studium abgebrochen hat und dessen Doktorarbeit ein Plagiat ist. Nie ist sie auf die Idee gekommen, dass Paul nicht derjenige ist, der er zu sein vorgibt. Auch Hüller spielt viel am Theater, besitzt aber mehr Filmerfahrung als ihr Hamburger Partner. Vor allem für das Exorzistendrama "Requiem" wurde sie 2006 mit Auszeichnungen überschüttet. In der Ausnahmesituation von "Über uns das All" fällt sie von einem extremen Gemütszustand in den nächsten.

Ein normales Leben scheint bei allem Schmerz und aller Ohnmacht kaum noch möglich. "Für mich war es ein Geschenk, mit ihr zu arbeiten", erzählt Felix Knopp. "Bevor ich ans Set kam, hatte sie schon ein paar Drehtage mehr als ich und war total in ihrer Rolle. Ich konnte mich gut auf ihr Spiel einstellen, denn im Film läuft viel über diesen direkten Kontakt. Im Theater wird ja inzwischen viel über Bande gespielt", sagt er und benennt damit ein Stilmittel des postdramatischen Theaters, in dem die Figuren häufig direkt ins Publikum sprechen und selten zu ihrem Gegenüber.

In Schomburgs auf einer wahren Geschichte beruhendem und sehr tiefgründig erzähltem Film trifft Martha bei ihren Nachforschungen auf den Geschichtsdozenten Alexander (Georg Friedrich). Als er sich in einem beiläufigen Moment die Haare aus der Stirn streicht, erinnert er sie an Paul. Alexander macht ihr Avancen, und sie lässt sich mit ihm ein, ohne ihm ihre Vergangenheit zu offenbaren. Doch Alexander erfüllt lange nur eine Stellvertreterfunktion in ihrem Leben. Paul bleibt präsent, obwohl er tot ist. Im Film wird das geschickt über ein Bild oder eine Andeutung transportiert, auf Rückblenden verzichtet Schomburg in seinem Filmdebüt, das in diesem Jahr auf der Berlinale lief. Allerdings spielt der junge Regisseur viel mit dem Doppelgängermotiv und schafft dadurch enorme Spannung.

Wenn "Über uns das All" an diesem Donnerstag im Abaton-Kino seine Hamburger Premiere feiert, ist Felix Knopp nicht dabei. Sandra Hüller und Regisseur Jan Schomburg wollen den Zuschauern nach der Vorstellung Rede und Antwort stehen.

Felx Knopp bedauert das zutiefst, doch er befindet sich schon wieder in Süddeutschland, am Set seines nächsten Films. "Schwestern" heißt das Drama, das die Regisseurin Anne Wild dort bis Anfang November dreht. Felix Knopp spielt an der Seite von Maria Schrader und Anna Blomeier. Letztere ist für ihn eine alte Bekannte, denn auch sie zählte eine Zeit lang zum Ensemble des Thalia-Theaters.

Über uns das All Premiere mit Gästen Do 15.9., 20.00, Abaton-Kino (Metrobus 5), Allende-Platz 3, Karten 7,50; ab Donnerstag im Kino; Internet: www.abaton.de