Die Eröffnung des Festivals in der Laeiszhalle gelingt glanzvoll

Hamburg. Das Streichoktett ist die Foie gras der Kammermusik: Quartett in der Megafett-Variante. Jedes Instrument kommt doppelt vor, vier Violinen, zwei Bratschen, zwei Celli, und wenn die Komponisten ihre Sache gutmachen, spielen die Instrumentenpaare in der Regel aus geteilten Stimmen. Zur Eröffnung des zweiten Russischen Kammermusikfestes trafen sich die Liebhaber dieser verboten schweren Delikatesse am Mittwoch im kleinen Saal der Laeiszhalle. Es war ein Fest für die Ohren, jede Sünde wert. Hör-Diät gibt's ja genug.

Dabei verabreichte das Philharmonische Streichoktett aus Berlin nicht gleich die volle Dosis. Die Musiker - allesamt Mitglieder der Berliner Philharmoniker - schufen die Grundlage fürs cremige Hören erst mal als Sextett. Doch schon Reinhold Glières 1905 komponiertes Sextett op. 11 ließ in Sachen Dichte und Komplexität der Faktur nichts zu wünschen übrig. Im dritten Satz dünnt sich das Geschehen mal kurz zum Quartett aus, doch in der Regel stürmt und braust die Musik mit Macht voran.

Wo den Künstlern hinsichtlich Intonation und Zusammenspiel nicht alles perfekt glückte, machten sie dies mit der extragroßen Portion Selbstgewissheit wett, die Mitgliedern dieses Orchesters wohl eigen ist. Von der Unbedingtheit, mit der diese Musiker ihre Klangenergie wie aus ihrer tiefsten inneren Mitte aussenden, können sich Legionen anderer manche Pastetenscheibe abschneiden.

Nach der Pause evozierte das Ensemble in Dmitri Schostakowitschs "Zwei Stücken für Streichoktett" (1924/25) insbesondere im Scherzo ziemlich grimmigen Humor. Das Cello übernahm unter ausgiebiger Verwendung des als teuflisch geltenden Tritonus-Intervalls eine tragende melodische Rolle, und wem bis jetzt nicht aufgefallen war, dass Christoph Igelbrink sein Instrument mit ebenso viel Präzision wie Hingabe streicht, der musste es nun merken. Das hochdramatische Stück, das auch als Ensemblemusik alle Virtuosenreserven fordert, vermittelte eine Getriebenheit, die angesichts der Jugend des Komponisten erstaunte; offenbar speist sie sich aus eben dieser, denn all die Verbitterungen und Enttäuschungen und Gefährdungen infolge der politischen Verhältnisse unter Stalin lagen damals noch vor ihm.

Durch Reinhold Glières ungemein bewegtes Oktett op. 5 (1900) schimmerte immer wieder das Wasserzeichen russischer Folklore. Besonders die ersten beiden Sätze boten reichlich regional inspirierten Instrumentalgesang. Im abschließenden Allegro summte und brummte und glitzerte und stach die Musik dann mit einem Drive, dass man mit vollen Ohren erschrak: Nie hätte man gedacht, dass man sich so schnell und so leicht eine ganze Foie gras einverleiben kann! Mit einem etwas zu parfümierten Tschaikowsky-Andante für Solo-Cello und gedämpft begleitende Streicherkollegen bedankten sich die Berliner für den anhaltenden Jubel des Publikums.

Noch bis zum 18. September bieten die Initiatoren von Musikförderung e.V. ein liebevoll zusammengestelltes Programm ( www.russisches-kammermusikfest.de ). Heute gastiert der Klaviervirtuose Victor Bunin im Lichtwark-Saal mit Musik von Skrjabin, Medtner und Rachmaninow sowie von Samuil Feinberg. Das Fest verspricht weiterhin reichhaltigen Hörgenuss - auch in schlanker Instrumentierung.