Das Pferd aus Illinois ist in Wahrheit gar kein Pferd, sondern ein Mensch. Wer, das weiß niemand. Das Pferd aus Illinois steht eines Tages vor der Tür und verlangt, eingelassen zu werden. Man muss es am Bauch berühren. Füttern, mit ihm baden. Ein kleines Bier trinken, denn es hat ein Schild, auf dem steht: "Auch Pferde sind Biertiere."

In den Nächten liegt es mit im Bett, es besteht darauf. Eng ist es. Man kann das Pferdeherz pochen spüren, das ganze Bett knarrt. Pferde laufen den ganzen Tag nur herum, sonst geschieht wenig. Deshalb träumen sie auch vom Laufen und müssen die Beine bewegen, um so etwas wie Träume überhaupt begreifen zu können. Die Menschen, bei denen das Pferd aus Illinois auftaucht, haben deshalb oft blaue Flecken - häusliche Gewalt.

Das Pferd aus Illinois folgt einem auf Schritt und Tritt. Im Büro sitzt es auf der Fensterbank, beim Lebensgefährten steht es am Bett und fragt, ob das Liebe sein soll. Versucht man zu reden, wiehert es laut. Mit der Zeit verliert man alles, die Arbeit, die Wohnung, den Partner, denn Pferde sind in unserer Gesellschaft noch immer verpönt, sprechende Tiere Unfug, und wer Englisch spricht, gilt als Snob.

Es ist die Einsamkeit, die im Sattel des Pferdes aus Illinois reitet, und bald ist da nur noch das Pferd, mit dem man in Busenbars und Schummerstuben sitzt, über das Amerika von heute diskutiert, Tiersport, Heu. Die Blicke der Umstehenden spürt man nicht mehr, findet es sogar ganz chic, ein großes Pferd zu besitzen. In den Nächten schiebt man vorsichtig die Hände unters Pferdefell, versucht, die Person darin zu ertasten. Warm fühlt es sich an, weich. Man überlegt, wer es sein könnte. Mutter vielleicht? Und dann ist das Pferd mit einem Mal wieder weg.

Derzeit ist das Pferd bei Galerist Ralf Krüger. Wir dürfen nicht zulassen, dass Ralf der Einsamkeit anheimfällt. Jeden Tag werden wir jetzt bei ihm sein. Für immer. Sie auch, bitte.