Idris Elba spielt in “Luther“ einen Polizisten, der für schwierige Fälle zuständig ist. Heute startet die großartige BBC-Serie auf ZDF neo.

Hamburg. In einer der späteren Folgen ruft er ohne den Hauch eines Lächelns einem Zweifler zu: "Sehe ich etwa so aus, als würde ich Spaß machen?" Alles, was recht ist, aber das nun ganz bestimmt nicht. DCI John Luther, Ermittler für fast hoffnungslos schwierige Mordfälle bei der Londoner Polizei, ist so etwas wie Dirty Harry ohne Magnum, aber mit deutlich mehr gut ausbildeten Psychosen. Um besser in Ruhe nachdenken zu können, wirft er schon mal Büromobiliar durch die Gegend, die Wortanzahl in seinen Sätzen bewegt sich im mittleren einstelligen Bereich. Feinsinnigkeit ist nicht seine Stärke, für seine Vorgesetzte ist er Nitroglycerin.

Mit Idris Elba, einem Schrank von Schauspieler, hat dieser Londoner Ermittler eine wunderbar düstere, brillant unberechenbare Inkarnation erhalten. Er spielt seinen Gesetzeshüter unter ständigem Überdruck, einen Mann, der längst nur noch so sehr an Gesetze glaubt, wie es unbedingt sein muss. Eine tragische Gestalt, die vom Leben nicht mehr viel erwartet und viel zu viel persönlich nimmt. Moral ist bei ihm von der Tagesform abhängig, und die kann hin und wieder schwanken. Privatleben findet nur in Spurenelementen statt (es gibt gerade mal eine Ex-Frau), und wenn doch, scheitert es meist fürchterlich. Er trudelt unter innerer Hochspannung durch ein effektvoll inszeniertes London noir, das einem ständig Angst macht, weil an jeder Ecke der nächste Psychopath lauern könnte. Die Tätersuche endet immer in intellektuellen Duellen, die für den Detective Chief Inspector, der einen verbeulten Volvo fährt, ihren Preis haben.

Nach dem Sensationserfolg, den die ARD mit dem BBC-Dreiteiler "Sherlock" erleben durfte, ist "Luther" ein weiterer Beweis dafür, wie raffiniert und gewagt man auf der Insel denkt, um die Krimi-Kategorie um faszinierende Sonderlinge zu erweitern. Und anstatt die sechs Folgen ins reguläre Programm zu setzen, versteckt das ZDF nach Highlights wie "Mad Men" auch diesen Einkauf im Minderheiten-Kanal ZDF neo, nach der bewährten öffentlich-rechtlichen Devise: "Warum einen Riesenfehler nur einmal begehen, wenn man auch mehrmals kräftig irren kann?"

Der Brite Elba, der diese Serie zum Erlebnis macht, ist seit Langem aus einer anderen Welt bekannt: Er spielte in David Simons Baltimore-Epos "The Wire" den Drogendealer Stringer Bell. Zu schade, dass durch die deutsche Synchronisation der Wechsel vom dahinschlurfenden Gangsta-Slang zum rauen Londoner Dialekt eingeebnet wird. In der ersten Staffel trifft Luther immer wieder auf eine Variation des Serienmörders Hannibal Lecter. Hannibal heißt hier Alice Morgan, ist eine oberschlaue Astrophysikerin aus problematischem Elternhaus, attraktiv, durchtrieben und von einer morbiden Faszination für ihren Widersacher beseelt. Eine Männermordende im wahrsten Sinne des Wortes. Wer von den beiden hin und wieder dem Durchbrennen der Sicherungen näherkommt, ist nicht immer eindeutig, die Trennlinie zwischen Gut und Böse ist mitunter hauchdünn.

Während die BBC ankündigte, demnächst eine dritte Staffel zu produzieren, kursieren derzeit Gerüchte über eine "Luther"-Variante fürs amerikanische Fernsehen. Als Borderline-Wiedergeburt von Colombo wäre dieser ruppige Einzelgänger sogar im sonnigen Kalifornien denkbar. Einen angewachsenen Mantel als wichtigstes Markenzeichen trägt er bereits.

"Luther" ab 5.9. sechs Folgen jeweils montags ab 22.35 auf ZDF neo