Die Band Hundreds hat in Texas gespielt. Ein Abenteuer für die jungen Musiker. Sie sollen zum deutschen Pop-Exportschlager werden.

Austin. Es ist sehr laut an der Kreuzung Red River und 6. Straße. Im Emo's Annex grunzt und schreit ein Metalsänger wie am Spieß. Von gegenüber dröhnt das Schlagzeug einer Rockgruppe. Auf der Straße schmettert eine Brassband New-Orleans-Sound. Genau so laut ist es zwei Kilometer weiter die 6. und die anliegenden Nebenstraßen hinauf. Es ist Ausnahmezustand in Austin, wie jedes Jahr im März. 2000 Bands spielen dann in der texanischen Hauptstadt in 80 Klubs, Kneipen, Kirchen und Konzerthallen, vom unbekannten Newcomer bis zum Superstar. Die Foo Fighters haben einen Geheimauftritt, Jack White ist aus Nashville angereist, die Strokes spielen zum ersten Mal wieder live, Erykah Badu, der Wu-Tang-Clan und Englands Elektro-Wunderkind James Blake gehören zu den Stars des diesjährigen SXSW-Festivals. 100 000 Menschen bevölkern jeden Tag die abgesperrten Straßen im heruntergekommenen Downtown-Distrikt.

Mittendrin eine Band aus Hamburg. Hundreds, das Duo der Geschwister Eva und Philipp Milner, ist in diesem Jahr nach Austin eingeladen worden. Die Festivalorganisatoren haben die Elektro-Kombo ins Malaia gesteckt, eine Bar mit falscher malayischer Kunst an den Wänden und zwei überdimensionalen Elefantenzähnen an der Eingangstür. Nicht gerade ein Hotspot unter den Klubs, aber immerhin an der 6. Straße gelegen, durch die sich bereits früh am Abend Tausende Feierwillige drängen. "Das war schon ein ziemliches Gedöns hier", sagt Eva Milner nach dem 35 Minuten langen Auftritt. So glamourös sich die Namen auf den Festivalplakaten lesen, so anstrengend sind die Auftritte für die namenlosen Bands beim SXSW. Gage wird nicht gezahlt, Licht und Instrumente müssen von den Künstlern selber mitgebracht und aufgebaut werden. Immerhin: Dem Publikum hat der melodiöse Electro-Trip-Hop-Sound der Hamburger gefallen.

Dass Hundreds überhaupt den weiten Weg nach Texas machen konnten, verdanken sie der Initiative Musik. Diese von Kulturstaatsminister Bernd Neumann mit jährlich zwei Millionen Euro finanzierte Einrichtung kümmert sich um den Export deutscher Popmusik ins Ausland. Hundreds soll sich in den USA präsentieren und Kontakte mit ausländischen Labels, Konzertagenten oder Festivalmachern knüpfen. Die Delegation hat einen Messestand aufgebaut und zu einem Lunch mit Ochsenbraten, Rapunzelsalat und Armen Rittern geladen. "Vielleicht ist ja ein europäischer Agent auf uns aufmerksam geworden", sagt Eva Milner, "denn noch ist Europa für uns wichtiger als die USA." In diesem Monat wird das Debüt von Hundreds in Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Ländern veröffentlicht, im Mai startet die Band eine Europatournee.

Die Förderung von staatlicher oder institutioneller Seite steht in Deutschland noch am Anfang, andere Länder unterstützen ihre Pop- und Rockmusiker seit Jahrzehnten. Seit 1982 exportiert Kanada bereits Popmusik und übernimmt die Hälfte der Tourneekosten von Bands. Factor heißt die Organisation, das Geld kommt aus der Steuerkasse und Abgaben privater Rundfunkanstalten. Alle skandinavischen Länder unterhalten Exportbüros, die dann beim Reeperbahn-Festival Abende mit ihren Bands veranstalten. Auch Frankreich besitzt international mehr als ein Dutzend Exportbüros, darunter auch eins in Berlin, um französischem Pop den Weg in andere Märkte zu ebnen.

Für die vielen Agenten, Festivalmacher und Labelbetreiber ist die SXSW Kontaktbörse und Plattform für musikalische Entdeckungen, für Bands wie Hundreds eher Abenteuer. Eine der wenigen ruhigeren Zonen hat das Hamburger Reeperbahn-Festival (Hundreds wird dort dieses Jahr auftreten), die kleine Schwester des SXSW, in diesem Jahr in Austin eingerichtet. Am Convention Center gibt es jeden Nachmittag "Reeperbahn-Burger". Die schmecken zwar auch nicht anders als im Burger-Laden um die Ecke - aber der Name ist cooler.