Mit dem “Rundgang Hamburg“ eröffnen die Hamburger Galerien heute und morgen die Saison - und suchen nach neuen Wegen der Finanzierung.

Hamburg. Was sind eigentlich Galerien? Sperrzonen für Kunst-Unkundige, als Gewerbe- oder Kellerraum getarnte Elfenbeintürme? Fakt ist, dass der Besuch einer Galerie vielen noch immer Schwellenängste bereitet. Andererseits ist es für kommunikationsfreudige Galeristinnen auch nicht besonders lustig, immer nur aufs schicke Notebook zu starren, die Tür offen zu halten und als einzigen Besucher den kalten Windzug zu begrüßen. Deshalb gilt die Frage auch umgekehrt. Wer sind eigentlich die vielen, die nicht zu uns kommen? Sollte man sich einmal nicht näher kennenlernen? Die Galerien-Initiative "Rundgang Hamburg" heute und morgen Abend bietet dafür reichlich Anlass.

Gemeinsam eröffnen die mehr als 20 Galerien an der Admiralitätstraße und im Kontorhausviertel die Saison. Dazu gehören eine breite junge Kunstpalette, ein kostenloser Shuttle-Service und Öffnungszeiten bis 23 Uhr. Aber auch in den anderen Stadtteilen eröffnen heute viele weitere Galerien neue Ausstellungen, von Altona bis Eppendorf, Wilhelmsburg bis Eimsbüttel.

Bekanntlich ist die Klage ein ständiger Begleiter Hamburger Kulturidentität. Hat Berlin nicht eine weitaus größere Kunstszene? Sind viele Künstler in der Hauptstadt nicht Kunstschaffende mit Hamburger Migrationshintergrund? Stimmt! Andererseits hat ein Schwund an Hamburger Galerien kaum stattgefunden. Mit den heute etwa 70 Galerien ist sogar ein leichtes Wachstum zu verzeichnen. Und wer den jüngsten Vorschlag der Kultursenatorin Barbara Kisseler vernahm, sieht sich sogar plötzlich von der offiziellen Politik gestärkt. Die schlug soeben vor, sich bei positiver Überprüfung für das Berliner Modell starkzumachen, das den Ankauf von Kunst durch günstige Bankkonditionen erleichtert. Beiden, Käufern und Galeristen, wäre dadurch erheblich geholfen.

Elena Winkel von der Galerie Conradi, die Initiatorin der Kunstmesse Index, begrüßt Kisselers Vorschlag uneingeschränkt. Vor allem das Signal, das von ihm ausgeht, macht sie hoffnungsfroh. Zwar glaubt sie weniger an die Notwendigkeit von Krediten. Aber dass sich nun auch die Politik für die oft als "kommerziell" geschmähte Kunst einsetzt, stimmt sie zuversichtlich. "Jungen Künstlern ist wenig geholfen, wenn ihr Auftritt in Galerien mit solchen Vorurteilen konfrontiert wird", sagt Elena Winkel. "Deswegen tun Signale wie die von Frau Kisseler gut." Um Kunst aber erfolgreich zu platzieren, bedarf es einer langfristigen Pflege, einer wachsenden Zielgruppe, die nicht nur kaufen, sondern sich auch informieren will. Zur "Konkurrenz" Berlin hält Elena Winkel im Übrigen ihre eigene Absahn-Effekt-Theorie parat: "Die Leute fahren nach Berlin, bekommen dort Lust auf Kunst, und wenn sie zurück in Hamburg sind, wollen sie mehr darüber erfahren."

Auch Diane Kruse, die mit ihrer Galerie an die Admiralitätstraße zog und sie jetzt nach ihrem Namen nennt, betont die Notwendigkeit persönlicher Kontaktpflege. Ob Kisselers Modell funktioniert, daran hegt sie allerdings erhebliche Zweifel. Günstige Konditionen wurden für potenzielle Käufer sowieso schon immer ausgehandelt. Kruse setzt auf Eigeninitiative: "Man muss seine Hausaufgaben machen, muss beweisen, dass man vertrauenswürdig ist." Der Standort einer Galerie ist eher sekundär. Auch in Hamburg kann es attraktiv sein. Zum Beispiel heute Abend ab 23 Uhr, wenn Künstler Marc Bijl mit seiner Band B-Men zum Konzert einlädt. Garantiert kein Kuschelrock, versichert Kruse.

Holger Pries, ab dieser Saison allein für die Geschäfte der ältesten Galerie an der Admiralitätstraße verantwortlich, schätzt hingegen den monetären Aspekt von Kisselers Vorschlag. Die sofortige Finanz-Liquidität für Künstler wie Galeristen ist dabei nur einer von vielen Gründen. Noch immer, beklagt Pries, bekommen Galerien keine Kredite auf ihre Lagerbestände. Kunst gilt Banken nicht als berechenbares Kapital. Wenn auch hier eine bessere Planungssicherheit für die Galerien geschaffen würde, wäre viel getan. Pries weist zudem auf einen einschneidenden Wandel im Geschäft der Galerien hin. "Es wird online gekauft, online besucht. Und auch die Galeristen sitzen zuweilen mehr als erwünscht an ihren Rechnern."

Mit Aktionen wie dem "Rundgang Hamburg" hofft Pries deswegen auch wieder auf mehr reale Besucher, die Kunst live erleben wollen. Nils Grossien von White Trash Contemporary schließt sich dem uneingeschränkt an. Mehr Neugierde könnte nicht schaden. "In Berlin", sagt Grossien, "sind sie neugierig, haben aber kein Geld. In Hamburg verhält es sich genau umgekehrt."

Sollte der jetzige Rundgang von Erfolg gekrönt sein, ließe er sich künftig auf weitere Stadtteile ausweiten. Darauf setzt Angela Holzhauer, seit sieben Jahren Galeristin in Altona. Erfreut zeigt sie sich über einen kleinen, dennoch spürbaren Umschwung. Während in den vergangenen Jahren Sammler und Kuratoren von auswärts fehlten, scheinen sie nun wieder Hamburger Galerien zu betreten. Ein behutsamer Optimismus klingt in ihren Worten.

Und sollte Barbara Kisselers Vorschlag eines Tages in die Realität umgesetzt werden, könnte dieser bestehende Kundenkreise erweitern. Also für sie und für viele ihrer Kollegen nicht nur mehr finanziellen Spielraum für die Kunst ermöglichen.

Rundgang Hamburg Fr 2.9., 18.00-23.00, Sa 3.9. 12.00-20.00, Admiralitätstraße und Kontorhausviertel; www.rundganghamburg.de