Weil der Hamburger Musiker Carsten Meyer im Januar eine Vorstellung verpasste, sorgt er heute am Thalia mit Gästen für Ersatz.

Thalia-Theater. Bevor das Thalia-Theater am Wochenende künstlerisch mit der ersten Premiere in die neue Spielzeit startet, müssen noch offene Rechnungen aus der vergangenen beglichen werden. Carsten "Erobique" Meyer, Hamburger Musikus mit Seitenscheitel und Oberlippenbart sowie ausgeprägtem Hang zur Hochkultur, war im Januar zu einer Vorstellung von "Andersen. Trip zwischen Welten" nicht erschienen, in der er als Musiker auf der Bühne steht. Meyer war stattdessen ins Schauspielhaus geeilt, wo er in "Rust" von Studio Braun mitwirkt. Für den finanziellen Ausfall hätte er eigentlich aufkommen müssen.

Stattdessen hat er sich für eine Wiedergutmachungsrevue entschieden; sie trägt den bezeichnenden wie offenherzigen Titel "Schimpf und Schande". Das Konzept hat Meyer mit dem Dramaturgen Tarun Kade und mit Schorsch Kamerun zusammengelötet, seines Zeichens Sänger der Goldenen Zitronen und seit Langem Weltenerfinder auf Bühnen von Hamburg bis Zürich. Alle Gäste treten ohne Gage und aus Solidarität mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Meyer auf.

In "Andersen. Trip zwischen Welten" erschafft sich der Märchenerzähler, Meyer drechselt an allerlei Tastengeräten Retropop-Sounds zusammen. Der gebürtige Münsteraner spielte schon mit zehn Jahren als Organist und Keyboarder Beatles- und Disco-Hits nach. Später ging er mit der Band Fischmob auf Tour. Auf einem Hotelzimmer entstand mit DJ Koze und Cosmic DJ die Idee für die Erfolgsformation International Pony. Der kreative Sog beförderte den Umzug in die Hansestadt.

Hier geriet er in die Fänge der Pudel-Clique, kollaborierte mit Schorsch Kamerun, Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk von Studio Braun. Mit Jacques Palminger hat Meyer zuletzt 2009 das Downbeat-Album "Songs For Joy" eingespielt. In den beim Hamburger Szenepublikum schwer angesagten Bühnen-Produktionen von Studio Braun legte Meyer auch überzeugende Kurzauftritte hin, als Sonne etwa. Zweifellos qualifiziert ihn sein helles Gemüt zum Conférencier einer großen Gala. Und es ist keine Frage, dass er dabei stets persönlich mittendrin feiern und auch tanzen wird. Häufig beehrt er Hamburger Soul-Partys mit seiner Gegenwart.

Auch seine Revue kommt nicht ohne illustre Gäste aus, die für ein paar Songs, Akkorde oder auch einfach nur als Stimmungsaufheller vorbeischauen. Zugesagt haben in jedem Fall Daniel Nentwig & Sebastian Maschat, Schlagzeuger und Keyboarder der deutsch-norwegischen Formation The Whitest Boy Alive. Die haben einmal mit dem bekannten norwegischen Elektrofrickler Erlend Øye, Gesang, und dem Bassisten Marcin Öz als Berliner Tanzmusik-Projekt begonnen und galten unter Kennern als das nächste große Ding.

Vor drei Jahren empfahlen sie sich mit einem Auftritt auch in Hamburg als Ekstase-Garant. Zuletzt haben sie ihre elektronischen Geräte in die Ecke verbannt. Auf dem 2009 erschienenen Werk "Rules" dominieren vertrackte Rockklänge, aber weiterhin der Nerd-Gesang Erlend Øyes.

Bei "Schimpf und Schande" geht außerdem der Hamburger Satire-Rapper Das Bo an den Start, DJ Egypt flicht ein paar kosmopolitische Klänge ein, und Schorsch Kamerun steuert Texte und Musik bei. Das musikalische Spektrum ist so weit gefasst wie heutzutage ein Theaterrepertoire. Es reicht vom Drama bis zum beschwingten Liedchen. Für die eher nachdenklichen Folkklänge sind Jan Gazarra & Judy Wilms als Forgotten Birds zuständig.

In einer Theaterrevue laufen aber natürlich nicht nur Musiker auf, sondern auch Schauspieler mit Entertainerqualitäten. Aus dem Thalia-Ensemble wollen die Jungstars Lisa Hagmeister, Mirco Kreibich, Jörg Pohl, Daniel Lommatzsch, Franziska Hartmann und Cathérine Seifert mit Showeinlagen glänzen. Von der Konkurrenz an der Kirchenallee stößt Fabian Hinrichs dazu, der in der Studio-Braun-Produktion "Rust" für ein regelmäßig ausverkauftes Schauspielhaus sorgt.

Es ist kein Zufall, dass Carsten "Erobique" Meyer auch bei Studio Brauns Bühnenmusiken seine flinken Finger im Spiel hat. Und wie immer bei opulenten Gelagen dieser Art - und seien sie auch vor dem ernsten Hintergrund der Buße - werden noch ein paar Überraschungsgäste erwartet.

Schimpf und Schande Fr 2.9., 21.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 6,- bis 27,- unter T. 32 81 44 44; Internet: www.thalia-theater.de