Dominique Pitoiset inszeniert “Cyrano de Bergerac“ im Schauspielhaus

Cyrano de Bergerac hat nicht nur die längste Nase der Literaturgeschichte, er ist auch eine ihrer populärsten Figuren. Edmond Rostand verewigte sie 1897 in seinem romantisch-komödiantischen Versdrama, das seither als Klassiker des französischen Boulevard gilt. Dieses von den Elementen der Ausstattungsorgie zu entkleiden, das hat sich der französische Schauspiel- und Opernregisseur und Leiter des Théâtre National de Bordeaux, Dominique Pitoiset, in seinem Hamburg-Debüt vorgenommen.

Seine Version, eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, eröffnet am 2. September die neue Spielzeit im Schauspielhaus. Die Inszenierung beruht auf einer starken Idee: Das Geschehen wird in einer voll ausgestatteten Restaurantküche nach Feierabend auf hoher Flamme erhitzt. Als Theater im Theater. Mit echten Zutaten wird hier tatsächlich live gekocht. Die Schauspieler haben sich sogar extra in der Küche des benachbarten Maritim Hotel Reichshof anlernen lassen.

Ensemble-Neuzugang Dominique Horwitz spielt den großnasigen Dichter Cyrano, der sich in seine Cousine Roxane (Anne Schäfer) verliebt, aber ihr, komplexbeladen wie er ist, seine wahren Gefühle verschweigt. Roxane wiederum entflammt für den jungen, aber tumben Christian von Neuvillette aus dem gleichen Regiment der Gascogner Kadetten. De Bergerac leiht diesem seine poetische Ader und formuliert in seinem Namen die schönsten Liebesbriefe, nachdem ein Nebenbuhler beide an die Front verbannt hat. Und wie es die romantische Vorstellung will, verliebt sich Roxane in die Poesie und ihren Dichter, dessen wahre Identität ihr jedoch auch nach von Neuvillettes Tod auf Jahre verhüllt bleiben wird.

Die Verlegung der Szenerie in die Küche folgt einer vermuteten persönlichen Vorliebe des Regisseurs für leibliche Genüsse. Sie ist aber nicht nur Ausdruck einer Laune und soll auch den Blick weg vom Mantel- und Degen-Drama für das eigentliche Thema schärfen. Das Spiel um Schein und Sein in einer zunehmend von einer trügerischen Wirklichkeit geprägten Mediengesellschaft. Jeder kann sich heute im Internet mit einer Wunschidentität ausstatten. Vor diesem Hintergrund geht es um die Frage der wahren Liebe, die tragischerweise unerfüllt bleiben muss. Aber auch um die Lust am Erniedrigen eines scheinbar Schwächeren. Denn de Bergerac steht in der Küchenhierarchie weit unten. Als Außenseiter gibt er auf den ersten Blick ein ideales Opfer für eine sadistische Lust an der Beleidigung ab. Die Inszenierung bleibt dicht am Originaltext, bedient sich aber auch der neuen Medien. So arbeitet die legendäre Balkonszene, in der von Neuvillette der schönen Roxane, souffliert von Cyrano de Bergerac, seine Liebe gesteht, mit moderner Skype-Technik.

Cyrano de Bergerac Premiere Fr 2.9., 20.00, Schauspielhaus (U/S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten zu 10,- bis 62,50 unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de