Von den Unterströmungen des Lebens erzählt das Drama “Giulia geht abends nie aus“

Guido (Valerio Mastrandrea) strampelt auf dem Wasser wie eine Fliege im Limonadenglas. Er geht nicht unter, aber voran kommt er auch nicht. Der Autor von Romanen, die keiner zu Ende liest und dennoch für Literaturpreise nominiert werden, will schwimmen lernen. Er sucht im Wasser eine Einfachheit der Gedanken, die dem Geschichtenerfinder verloren gegangen ist. Seine Leser erkennen ihn im Fahrstuhl wieder, er wird in TV-Shows eingeladen, aber Guido selbst hält wenig von sich und seinem Werk. Er treibt durch sein Leben wie durch eine seiner Geschichten, ohne eine Richtung oder Pointe zu finden.

Aber im Hallenbad trifft er auf die Schwimmlehrerin Giulia (Valeria Golino), die ihre Arbeit mit Ernst und Disziplin verrichtet. Unwillkürlich fühlt sich Guido von der einsamen Frau angezogen, die eine Traurigkeit ausstrahlt, die bei dem melancholischen Schriftsteller auf fruchtbaren Boden fällt. Aber auch Guilia hat eine Geschichte, und die ist sehr viel bitterer als Guidos verschrobene Fantasiegebilde.

Nach der Arbeit geht sie nicht nach Hause, sondern ins Gefängnis. Die verurteilte Mörderin bekommt für ihre Tätigkeit als Schwimmlehrerin Hafturlaub, muss aber noch einige Jahre ihrer Strafe verbüßen. Das Schuldgefühl hat sich tief in Giulias Seele eingegraben. Zu Mann und Tochter hat sie keinen Kontakt mehr. Vorsichtig verlieben sich der Schriftsteller und die Mörderin ineinander, aber als Guido versucht, in Giulias Geschichte einzugreifen, muss er feststellen, dass die Realität sehr viel schwerer zu beeinflussen ist als seine literarischen Fiktionen.

Giuseppe Piccionis Liebesdrama "Giulia geht abends nie aus" interessiert sich weniger für die sichtbaren Stromschnellen als für die Unterströmungen des Lebens, die seine Figuren weit abtreiben lassen und gegen die sie umso stärker ankämpfen müssen. Der im eigenen schöngeistigen Leben gefangene Schriftsteller und die vom Schicksal gebeutelte Mörderin - diese Figurenkonstellation könnte in plakativen Kontrasten erstarren. Aber Piccioni und seine beiden hervorragenden Hauptdarsteller erzählen die unwegsame Liebesgeschichte ohne Larmoyanz und halten die Emotionen der Figuren in der Schwebe, was der mäandernden Erzählweise eine angenehm subtile Spannung verleiht.

Bewertung: empfehlenswert

Giulia geht abends nie aus Italien 2009, 105 Min., ab 12 J., R: Giuseppe Piccioni, D: V. Mastrandrea, V. Golino, tägl. im Passage; www.giulia.cineglobal.de