Wieso gut aussehen? Dafür ist das Organ nicht da

Symmetrie ist Trumpf, das sagen Evolutionsbiologen. Das Schönheitsideal flottiert nämlich keineswegs frei im Orbit unserer Empfindungen; es setzt sich aus genetischen Komponenten zusammen. Das, was schön ist, und das, was wir schön finden, erben wir von denen, die vor uns da waren. (Gut, das sind jetzt nicht die, die barocke Rubens-Modelle anhimmelten - die waren zwar auch vor uns da, ganze lange sogar. Zu lange. Ihre DNA ist ausgetauscht worden). Was wir heute wissen: Wir sprechen auf das richtige Verhältnis an, in dem einzelne Körperpartien und -teile zueinander stehen.

Das Maß muss stimmen! Wer einen dicken Bauch hat, als Mann, der sollte wenigstens auch dicke Oberarme haben. Zierliche Frauen müssen nicht unbedingt riesige Füße haben. Tante Wikipedia verrät sogar noch Genaueres: Sie berichtet vom Goldenen Schnitt, der nicht nur die Kunst, sondern auch das schöne Gesicht ausmacht. Der vertikale Abstand beträgt zwischen Augen und Mund 36 Prozent der Gesichtslänge, der horizontaler Abstand zwischen den Augen 46 Prozent der Gesichtsbreite, wenn das Gesicht Idealmaß hat. Das sind die Proportionen des durchschnittlichen Gesichts, sie sollen Gesundheit signalisieren.

Und was ist mit der Nase? Wie muss die beschaffen sein, damit sie Gesundheit signalisiert, ja sogar tatsächlich gesund ist?

Wir kommen auf dieses Thema angesichts der Hamburger Premiere der Komödie "Cyrano de Bergerac", sie wird am 2.9. im Schauspielhaus gegeben. Der Titelheld war eine beeindruckende Erscheinung im Paris des 17. Jahrhunderts. Er war Schriftsteller und eine wichtige Figur der Gesellschaft, vor allem aber: Besitzer einer riesigen Nase. Sie soll ihn (und die Spötter, die im Duell starben) ziemlich unglücklich gemacht haben. Große Nasen sind große Hindernisse in Liebesdingen. Manchmal versprechen sie Dinge, die sie nicht einhalten können. Meistens aber stehen sie wie Wolkenkratzer in der Umgebung herum.

Sie sind auffällig, aber auch ein bisschen unheimlich. Manchmal werfen sie sogar Schatten! Okay, das war jetzt übertrieben. In Sachen Proportionen aber kann man mit einem mächtigen Zinken viel versauen. Hinsichtlich der Symmetrie aber hat die Nase doch wenig zu befürchten, ja im Gegenteil: Je prächtiger sie ist, desto größer wirkt sie als Spiegelfläche, oder? Dann spiegeln sich in ihr formschöne Wangen, hübsche Augen und zwei ästhetische Seiten derselben Stirn.

Wer eine Kulturgeschichte der Nase schreibt, sollte sich übrigens grundsätzlich (und damit verlassen wir jetzt die Bergerac-Ebene, auf der die schlimme Eitelkeit die wirklich wichtigen Dinge in den Hintergrund rückt) um das kümmern, was die Nase gut kann: riechen. Sie muss in erster Linie gar nicht gut aussehen, sie muss einfach riechen können. Weil seit einiger Zeit, dank der Parfümindustrie, körperliche Ausdünstungen weggesprüht werden können, denken Philosophen viel positiver über das Riechorgan: Hegel und Kant schimpften noch über das primitiv-praktische Instrument "Nase", das Riechwerkzeug, das den viel wichtigeren geistigen Teil, das Hirn, marginalisierte. Das Diktat der Nase, auch phänotypisch, symbolisierte Geistlosigkeit.

Nasen denken halt nicht. Sie sind lediglich sinnlich, Teufel aber auch. Da musste dann schon Nietzsche kommen, der prinzipiell für "eine hündische Nasenverfeinerung" plädierte. Wer denkt, muss allererst einmal sinnlich empfinden - so sah es Nietzsche. Und so sehen es wir. Große Nasen sind unbedingt gesund: Als Zeichen unbedingten Riechenwollens (zieht da nicht gerade ein herrlicher Kaffeeduft ins Büro?) plädiert sie für sinnenfrohen Genuss.

Cyrano de Bergerac Schauspielhaus (U/S Hauptbahnhof)