Horst Schroth gastiert von heute an mit seinem neuen Programm “Was weg ist, ist weg“ im St.-Pauli-Theater.

St.-Pauli-Theater. Über den Heiligen Antonio von Padua, der Anfang des 13. Jahrhunderts allerlei Wundersames trieb, weiß Horst Schroth eine kleine Geschichte zu erzählen. Es begab sich vor Jahresfrist, dass seiner Frau ein wertvolles japanisches Küchenmesser abhanden kam. Nirgends im Haus war es zu finden, ein Rätsel, fraglos. Da besann sich Schroth, erzogen im römisch-katholischen Glauben, eines Kunstgriffs: Er riet seiner Frau, besagten Antonio anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten, denn der Heilige gilt im katholischen Glauben auch als Experte im Auffinden verloren gegangener Gegenstände. Und, o Wunder, wenige Stunden später ward das Messer gefunden - es lag im Garten.

Dass der Kabarettist Schroth, 63, seiner Kirche jedoch längst den Rücken gekehrt hat, kann man auch dem Titel seines neuen Programms entnehmen, das am 31. August Premiere im St.-Pauli-Theater feiert: "Was weg ist, ist weg" heißt es so pragmatisch wie programmatisch - Antonio hin, Antonio her.

Regie führt erneut Ulrich Waller, mit dem Schroth seit 24 Jahren zusammenarbeitet und an dem er die "unglaubliche Fähigkeit" schätzt, Figuren zu entwickeln. Beide haben gemeinsam diese Geschichte des Verlierens, des Vergessens in einer sich rasant wandelnden Welt ersonnen.

Die Geschichte beginnt mit einem ausgebrannten Kofferraum, in dem alles lag: Ausweispapiere, Geldbörse, das Notebook. "Wenn so etwas passiert, ist das halbe Leben weg", sagt Schroth, die Festplatte ist quasi gelöscht. Der virtuelle Overkill.

Bleibt die Frage, wie dramatisch das wirklich ist. Könnte nicht ein Verlust oder besser: ein Verzicht sogar einen Mehrwert haben? Was ist so wichtig, dass man es behalten sollte, was hat keine Bedeutung, ist lediglich Ballast, den wir mit uns herumschleppen? Letztlich philosophische Fragen, die am Grund des Stückes ruhen.

Das Stück ist auch ein Rückblick auf die eigene Karriere "Natürlich spreche ich mit meinem Freund Frankie, der gerade 65 geworden ist, über das Alter, über die Angst vor Krankheit, Tod und Bedeutungslosigkeit." Ein wenig melancholisch wirkt Schroth, wenn er davon erzählt, hier im sogenannten Sozialraum hinter der Bühne des St.-Pauli-Theaters, aber sein humorvoll freundlicher Blick hält dem Zugriff des Melancholischen stand. Schließlich sind es Bühnengespräche nach Schrothscher Manier, komische Gespräche also. Deren Gags entspringen aus den Konflikten, die in den Figuren, die Schroth spielt, wohnen.

"Alles, was ich auf der Bühne erzähle, muss authentisch sein, also müssen auch die Figuren authentisch sein." Indem Schroth versucht, die Zuschauer auf die Seite der Figuren zu ziehen, arbeitet er gern mit Klischees. "Sie transportieren sofort eine Nachricht", sagt der gebürtige Oberfranke Schroth, der in den 70er-Jahren nach Hamburg kam und sich freien Theatergruppen anschloss. "Klischees sind Vehikel für Geschichten." Dass seine Frau, mit der er in Ahrensburg lebt, von Beruf Psychologin ist, mag für Schroths eleganten Umgang mit den sozialen und charakterlichen Klischees manchmal durchaus von Nutzen sein.

Die Geschichten und die Themen seiner nun sieben Kabarettsoli stehen bei Horst Schroth am Anfang der Arbeit, nicht der Witz. "Der Gag ist nur das Sahnehäubchen, das ganz am Ende obendrauf kommt, wenn alles andere schon da ist." Erst wenn die Dramaturgie stimmt, wird, wie Schroth es nennt, die "witzfreie Zone" gefüllt. Bis es so weit ist, die Geschichte quasi zur Bühnenreife gekommen ist, braucht es in der Regel zwei Jahre. Die böse Variante des Witzes, wie sie manch anderer Kabarettist - man denke nur an Georg Schramm - pflegt, ist dabei seine Sache nicht.

Zwar fühlt auch Schroth sich wie so viele seiner Kollegen "geschützt von der Figur" - meist trägt sie einen perfekt sitzenden Anzug, der dem körperlich eher kleinen Kabarettisten wie eine "Ritterrüstung passt, hilft und stützt". Doch niemals nutzt er dieses Geschütztsein, dieses Heckenschützendasein für persönliche Diffamierungen.

Horst Schroth ist der Gentleman unter den deutschen Kabarettisten, manchmal zwar ein gemeiner, aber immer ein Gentleman. Einer, der sein Publikum schätzt, dem Beschimpfungen fremd sind. "Botschaften habe ich keine, ich bin ja kein Pädagoge", sagt er und lächelt dieses freundliche Horst-Schroth-Lächeln, hinter dem immer ein leichtfüßiger Witz, eine überraschende Pointe lauert.

Ein Lächeln, dem man deshalb nicht immer trauen sollte. Aber dass seine Frau, die Psychologin, ihr wertvolles japanisches Küchenmesser mithilfe des Heiligen Antonio von Padua wiedergefunden hat, das soll dann wohl stimmen.

Auch wenn Kabarettisten naturgemäß zur Übertreibung neigen.

Horst Schroth: Was weg ist, ist weg Vorpremiere heute, 20.00, Premiere Mi 31.8., 20.00, St.-Pauli-Theater (U Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 24,90 (Vorpremiere) sowie 15,90 bis 35,90 unter T. 040/47 11 06 66; Internet: www.st-pauli-theater.de