Im Ernst-Deutsch-Theater hat die Revue “Vom Rag zum Rap“ Premiere. Natalia Dergatcheva von der Tanzbrücke Hamburg trieb des Projekt voran.

Ernst-Deutsch-Theater. Gute Dinge brauchen manchmal etwas länger. Ob das nun ein feines Essen, die Fähigkeit zur Erkenntnis oder ein ehrgeiziges Theater- und Musikprojekt ist. Letztgenanntes kam Natalia Dergatcheva schon vor drei Jahren in den Sinn. Damals entwickelte sie die Idee, die Geschichte der Jazzmusik in Ton und Tanz auf eine große Bühne zu bringen.

Wobei man wissen muss: Natalia Dergatcheva ist nicht irgendeine spinnerte Jazzliebhaberin. Die gebürtige Russin ist Diplom-Sportwissenschaftlerin und Tanzpädagogin. 1997 gründete sie die Tanzbrücke Hamburg e. V.

"Die Tanzbrücke ist meine Seele, meine Leidenschaft", sagt Natalia Dergatcheva. Nachdem die engagierte Frau in ihrer Heimatstadt St. Petersburg mehrere internationale Projekte in Kultur und Bildung geleitet hatte, hat sie es geschafft, die Tanzbrücke zu einem Teil des Hamburger Kulturlebens werden zu lassen und zu einem erfolgreichen 140-beinigen Ensemble zu formen: Im Vorjahr wurde die große Gruppe beim Dance World Cup auf Sardinien sogar in der Kategorie Show Weltmeister und im Nationaltanz Vizeweltmeister.

Beim "eigenarten"-Festival und dem Kinderfestival "Laut und Luise" hat die Tanzbrücke in Hamburg über Jahre bleibende Eindrücke hinterlassen. In den Stücken "Das letzte Läuten der Schulklingel" und "Das Fundbüro" konnten die jungen Tänzerinnen und Tänzer - die Altersspanne reicht vom Vorschulalter bis Mitte 20 Jahre - zudem Erfahrungen in Musik, Tanz und Schauspiel auf der Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters (EDT) sammeln.

Auf Deutschlands größter Privattheaterbühne, auf der zurzeit Dürrenmatts "Die Physiker" gegeben wird, erlebt die Revue "Vom Rag zum Rap" nach zwei Jahren Vorbereitung heute Abend auch ihre Premiere. Für das ambitionierte Vorhaben, musikalisch ein ganzes Jahrhundert des Jazz abzubilden, hat Choreografin Dergatcheva kompetente Leute gewonnen.

Der Jazz-Kenner und NDR-Moderator Wingolf Grieger schrieb die erklärenden Moderationstexte, die EDT-Schauspieler Ben Münchow ("Der kleine Vampir") sprechen wird. Der 21-Jährige kennt die Bühne, er ist als der Bub in "Die Physiker" zu sehen.

Bob Lanese wiederum kennt die Geschichte des Jazz. Der US-Musiker, kürzlich 70 Jahre alt geworden, kam 1971 als Mitglied des Glenn Miller Orchestras nach Europa, arbeitete mit Bert Kaempfert, Peter Herbolzheimer, der NDR-Bigband und war erster Trompeter bei James Last. Seit 20 Jahren leitet der Mann aus Cleveland/Ohio die Downtown Bigband - eine echte "Kicks Band": Ihre Mitglieder aus ganz Norddeutschland haben sich aus reinem Spaß an der Musik gefunden. Der volle Sound des 19-köpfigen Orchesters soll ganz im Einklang stehen mit den Darbietungen der Tänzer.

Mittels bildhafter musikalisch-tänzerischer Darstellung wird das Publikum "Vom Rag zum Rap" durch die verschiedenen Epochen des Jazz geführt. Die Geschichte verläuft von den Anfängen in Hinterhöfen, dem Puls der Straße mit dem Ragtime wie etwa in Scott Joplins "The Entertainer" über den Aufstieg in die New Yorker Carnegie Hall. Sie zeigt sanfte und wilde Blüten wie Dixieland, Swing, Bebop, Soul und Modern bis hin zum Rap, der 100 Jahre später wieder in die Hinterhöfe der Großstädte führt.

Das Thema ist umfassend, genauso wie die Arbeit der fast 100 Beteiligten. Sie können heute erstmals alle gemeinsam im Ernst-Deutsch-Theater proben. Bereits vor Beginn der Hamburger Schulferien aber hatte Natalia Dergatcheva mit ihren Tanzbrücken-Schülern in einer Sporthalle damit angefangen. "Es war schwer genug, eine große Bühne für dieses Projekt zu bekommen", sagt die Choreografin. Umso dankbarer ist sie, dass EDT-Intendantin Isabella Vértes-Schütter das große Haus zur Verfügung stellt. Und ohne die Dr.-E.A.-Langner-Stiftung, die die Hälfte des 12 000 Euro teuren Projekts finanziert, hätte die Revue nicht auf die Beine gestellt werden können.

Dabei vereint "Vom Rag zum Rap" Menschen aus aller Welt, Amerikaner, Mitteleuropäer, Russen - und mehrere Generationen: Die Spanne reicht von Vorschulkindern bis zu über 70-Jährigen. Aber sprachliche, kulturelle und soziale Grenzen überwunden zu haben, das ist schließlich auch ein Kennzeichen des Jazz.

Vom Rag zum Rap Mo 29.8., 19.30, Ernst-Deutsch-Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten und Infos unter T. 22 70 14 20, tickets@ernst-deutsch-theater.de ; Internet: www.tanz-bruecke.de , www.downtownbigband.de