Sprenger inszenierte Dürrenmatts “Die Physiker“ am Ernst-Deutsch-Theater

Hamburg. Die Welt ist ein Irrenhaus. Bereits 1494 hat der Jurist und Polemiker Sebastian Brant in seiner spätmittelalterlichen Moralsatire "Das Narrenschiff" die Auswüchse menschlicher Unvernunft angeprangert. Der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt, der davon überzeugt war, dass auf dem Theater den Menschheitsirrtümern nicht mit der Tragödie, sondern nur mit Mitteln der Komödie beizukommen sei, folgte dessen Beispiel.

Dürrenmatts 1961 zur Zeit des Kalten Krieges entstandene Groteske "Die Physiker" handelt von der Verantwortung der Wissenschaftler und deren Instrumentalisierung in Diensten von Macht und (Waffen)Industrie. Der Autor benutzt die Irrenanstalt somit als dramatische Metapher.

Darum spielen in Wolf-Dietrich Sprengers Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater wohl alle Figuren von Anfang an verrückt. Ein Missverständnis? Nicht ganz: Der Regisseur will die sogenannte normale Welt als eigentlich durchgedreht vorführen, stört jedoch den Mechanismus des Stücks im Gewand eines Agententhrillers. Der Physiker Möbius (Christoph Tomanek) hat sich in Mathilde von Zahnds Sanatorium geflüchtet und wird von zwei Spionen, die sich als Newton (Günter Schaupp) und Einstein (Konstantin Graudus) aufführen, verfolgt. Sie wollen ihn oder seine Erkenntnisse kassieren. Der Zuschauer kann jedoch diese lachenden, brüllenden, Krankenschwestern würgenden oder mit Pistolen fuchtelnden Knallchargen nicht ernst nehmen. Die Nervenärztin von Cornelia Kempers rastet unberechenbar aus, der Kriminalkommissar ist eine Witzfigur und das Insassen-Trio demonstriert haarsträubende Ticks.

Erst am Schluss kapiert man, was der Regisseur mit seinen überspitzten Karikaturen im ersten Akt will. Aber da hat Sprenger die Ernsthaftigkeit des Stücks längst an den Klamauk verspielt. Und das gelungene Finale kann den Abend auch nicht mehr retten. Ein Polonius-Wort aus Shakespeares "Hamlet" sei Sprenger Trost: "Ist's Wahnsinn auch, so hat es doch Methode."

Die Physiker bis 24.9., Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de