Das Internationale Sommerfestival 2011 bot seinen Gästen Stücke von unterschiedlichstem Niveau

Hamburg. Es ist einfach, mit den großen Hits des internationalen Festivalzirkus die Massen zu locken. Koproduktionen sind dagegen manchmal echte Überraschungseier. Der Schwerpunkt des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals Hamburg auf Kampnagel, "Gemeingüter" auf ihre Tauglichkeit für ein Unterhaltungsformat zu testen, war das Ansinnen des Max Clement Movement in der Revue "Ressource Baby!" Es ist dann aber doch eher eine Lecture Performance mit Hintergrundmusik geworden. Da darf Conférencier Armin Chodzinski den "Flag Song" der Band The Housemartins schmettern, Michael Schieben erläutert anhand von Papierfliegern das Open-Source-Prinzip, und Karen Köhler führt unter Gewissenbissen gesammelte Zigarettenkippen in einer Vitrine vor, die das Grundwasser nun entlasten.

Zusammengehalten wird das Puzzle von den frischen Klängen der Liveband Bandmaster Fresh. Doch das hier propagierte gemeinsame Handeln, es will sich nicht herstellen. Nummernartig werden Texte auf Schulbuch-Niveau aufgesagt und etwas wahllos Beispiele aufgereiht. Das gute Ansinnen erhält dennoch viel Applaus.

Anderswo zeigen Beispiele der Realität, wie erschütternd weit weg manche sich von einem Handeln zum Wohle des Ganzen entfernt haben. Im Ruhrgebiet harrt die Essener Zeche Zollverein, ein "Ort, der Emotionen hervorruft", seit Jahren einer neuen Sinnstiftung als Wirtschafts- und Designstadt. Als Heilsbringer meldete sich ein arabischer Scheich mit vielen Millionen zu Wort. Doch aus der Vision wird ein langes Warten. Nur warum?

Den Streit beleuchtet die Antwerpener Gruppe Berlin in ihrem wunderbar ironischen Dokufiktionsprojekt "Tagfish (All great changes begin at the table)". Sechs Akteure, darunter der Geschäftsführer von NRW Urban, ein Planungsdezernent und ein kritischer Journalist umgarnen sich in Unsinnsdialogen per Videokonferenz. Ihre aus Einzelgesprächen montierten Sätze führen die herrschende inhaltliche Leere erschreckend vor Augen, gipfelnd in der Aussage "Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium". Und ein Chor ehemaliger Bergarbeiter summt dazu.

Angesichts des ersten lauschigen Sommerabends seit Tagen lockt die Bandkollaboration Tetine & Pollyester am Sonnabend nur wenige zu später Stunde in den Klub. Die differenzierte Melancholie der Songs wandelt sich live zu einer Elektro-Punk-Show. Illustriert von Filmchen werden Gitarren und Keyboards wüst bearbeitet und unter den Nägeln brennende Texte rausgehauen wie "Everything Must Die".

Diesem Spektakel hätte man in seiner Dringlichkeit mehr Zuhörer gewünscht. Im besten Fall funktioniert ja immer beides. Die Kunst und der Sommer.

Internationales Sommerfestival Hamburg 2011 bis 28.8., Kampnagel, Jarrestraße 22-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de