Auf Kampnagel traten Anna Mendelssohn und Hans Unstern auf

Hamburg. Anna Mendelssohn weint. Sie tut es für mehrere Sekunden. Immer wieder träufelt sie sich Glyzerin unter die großen dunklen Augen, damit die Tränen auch fließen wollen. In "Cry me a River" weint sie sozusagen mit den Eisbären und allen dem Klimawandel ausgelieferten Kreaturen. Manchmal weint sie auch über sich selbst. "Warum bin ich hier. Welchen Platz habe ich in diesem Universum?" Derzeit gastiert die mehrfach ausgezeichnete Performance beim Internationalen Sommerfestival Hamburg auf Kampnagel.

Die Wienerin steckt mitten in einer Ein-Frau-Konferenz. Thema: Wie geht man mit der inneren Notwendigkeit um, etwas für den bedrohten Planeten tun zu müssen, und der gleichzeitigen Ohmacht vor der Aufgabe. Präzise montiert sie Gedanken, sampelt Diskursfetzen von der Aktivistin Naomi Klein oder dem Philosophen Peter Sloterdijk - und von sich selbst. Kunstblut, Tränenstift und sentimentale Harfenklänge sorgen für die theatrale Illusion.

Die Strenge ihrer Gedanken zu Ökologie und Gesellschaft gipfeln in der Forderung nach einem liberalen Diktator, einem Retter, der die Dinge in die Hand nimmt. Sie mischen sich mit Persönlichem. Und darin besteht die Spannung dieses in seiner Unbedingtheit und Unaufgeregtheit fesselnden Abends. Wenn es um die eigene Lebensplanung geht, herrscht bei Mendelssohn nämlich pure Unsicherheit. Wie einen potenziellen Erzeuger finden, bevor man 40 ist? Wie eine sichere Jobperspektive auftun? "Jeder hat ein Recht auf ein Leben ohne Sorgen."

Ein eher im Alltag aufgeriebenes Unbehagen an der Welt treibt auch den Berliner Musiker Hans Unstern um, der konzentrierte Zuhörer in den Klub lockt. Mit seiner fünfköpfigen Band schichtet er zu den Songs seines Albums "Kratz Dich Raus" vertrackte Soundwälle aufeinander und versteckt sich hinter projizierten Kunstvideos. Seine Musiker werkeln derweil an Xylophon, hohl klingenden Blasinstrumenten, Bass, Keyboards und allerlei Geräuscherzeugern. Manchmal glimmt nur eine flackernde Funzel. "Wann lernt mein Hier dass man nur jetzt da sein kann. Wann fängt das an?", sinniert Hans Unstern in "Paris" auf seine seltsam körperlose Weise über Sein und Existenz. Er tut es auf seine Weise

Internationales Sommerfestival Hamburg 2011 bis 28.8., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 22-24, Karten T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de