Der Needcompany misslingt “Die Kunst der Unterhaltung“

Hamburg. Wer wollte schon behaupten, dass Sterben eine einfache Sache ist. Und doch sollte es ein fröhlicher Exitus werden, den der lebensmüde Schauspieler in "Die Kunst der Unterhaltung: Needcompany plays the death of Dirk Roofthooft" zu den Klängen von Pergolesis "Stabat mater" vor 100 Millionen Zuschauern TV-tauglich auf der Showtreppe hinlegt. Die belgische Needcompany unter ihrem Chef Jan Lauwers hat sich das am Wiener Burgtheater ausgedacht, wo sie seit 2009 als "Artist in Residence" fungiert. Das Internationale Sommerfestival sicherte sich die deutsche Erstaufführung, die derzeit auf Kampnagel gastiert.

Das Setting scheint halbwegs geklärt, doch das Geschehen verflüssigt sich auf der absichtlich lieblos zugerichteten Bühne zwischen Showtreppe, Lüster und TV-Bildschirmen sogleich auf allerlei Nebenschauplätze. Durch ihre Talk-Sitzecke wankend erzählt Viviane de Muynck als Moderatorin erschütternd flache Witze, in denen sich Hitler und der belgische König Leopold in der Hölle treffen. Ein ominöser Starkoch Duchamp (Julien Faure) dirigiert eine Truppe aus Slapstick-Küchenjungs zur Preparation der Henkersmahlzeit. Dr. Joy rollt sein Todesspritzenset heran. Und Gena, gespielt von Grace Ellen Barkey, untreue Geliebte des Schauspielers, lässt sich zum Bekenntnis hinreißen, ihm in den Tod folgen zu wollen.

Vermutlich will Lauwers die hier so bunt zitierte Unterhaltungsindustrie entlarven, doch der Abend strebt richtungslos und mit Kalauern gespickt seiner Nichterfüllung zu. Hier wird kein Witz bis zur Pointe durchgehalten, jede lebensphilosophische Betrachtung im Ansatz erstickt. Und am Ende wird selbst der Tod überflüssig. Alles bleibt in diesem dadaistisch gedachten Tableau, das ja mit einer gewissen Behauptung antritt, Einlage. Wenn sich zu "Stabat Mater" doch Endzeitstimmung in der Halle ausbreitet, herrscht nacktes Schweigen. Immerhin verbunden mit der Aussicht auf sich lasziv rekelnde Tänzerinnen. Und einen zum Kannibalismus umgeschwenkten Todeskoch, wie er eine junge Frau als Hähnchenschenkel serviert. Die Slapstick-Tänze in Zeitlupe zählen noch zu den kurzweiligen Momenten des Abends. Anderes, wie der totgerittene Sprung über das brüllende Tigerfell, wirken humorfreier als das Privatfernsehen zur Primetime. Mit manch brutal zu Bruch gehendem Küchenutensil zerschellt auch die so gut gemeinte Persiflage.

Der offenbar kurzfristig angeheuerte Hauptdarsteller Dirk Roofthooft strauchelt gleich mehrfach auf seinem Weg durch den Text. Die Rolle stand von Anfang an unter keinem guten Stern. An der Wiener Burg bekundete erst Martin Wuttke Terminprobleme, dann warf Paul Manker das Handtuch. Auf der Tournee sind auch Michael König und Sylvie Rohrer als Übersetzerin nicht mehr dabei.

Mit "The Art of Entertainment" kann Jan Lauwers nicht an die Qualität seiner "Sad Face/Happy Face"-Trilogie anschließen. Wenn Dirk Roofthooft auf halbem Weg fragt: "Weiß irgendjemand, was wir hier machen?", soll natürlich auch das den kühnen Blick der Avantgarde auf die schnöde Medienwirklichkeit verkörpern. Klingt eher nach der Offenbarung des Abends.

Internationales Sommerfestival Hamburg 2011 bis 28.8., Kampnagel, Jarrestraße 22-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de