Woody Allens romantische Komödie “Midnight in Paris“ ist sehr charmant. Ständig gibt es Missverständnisse und Vorwürfe.

Eigentlich wäre Gil (Owen Wilson) gern ein ernsthafter Schriftsteller. So wie Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald. Stattdessen verdingt er sich als Drehbuchautor für Hollywood - gut bezahlt, aber nicht sehr befriedigend. Als der Film beginnt, begleitet Gil seine Verlobte Inez (Rachel McAdams) sowie deren Eltern Helen (Mimi Kennedy) und John (Kurt Fuller) nach Paris. John macht keinen Hehl daraus, dass seine Tochter einen besseren Mann verdient hätte. Inez hingegen ist zunehmend genervt von ihrem Zukünftigen.

Ständig gibt es Missverständnisse und Vorwürfe. Bei der touristischen Erkundung der Stadt verbietet sie ihm den Mund, um lieber den besserwisserischen Ausführungen von Paul (Michael Sheen), ihrem ehemaligen Dozenten, zu lauschen. Kurzum: Sie liebt Gil nicht mehr und muss es nur noch selbst bemerken. Gil streift fortan lieber allein durch die Stadt. Und dann passiert's: Bei einem nächtlichen Spaziergang hält um Punkt zwölf ein Oldtimer an seiner Seite und nimmt ihn mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Plötzlich befindet sich Gil im Paris der 20er-Jahre, Fitzgerald, Hemingway, Dalí, Buñuel und Picasso hängen in den Cafés ab, und eine schöne Muse (Marion Cotillard) verdreht allen den Kopf.

Nach Venedig, London und Barcelona fährt Woody Allen, dieser New Yorker Stadtneurotiker, weiter fort, Europa zu entdecken. Paris mit seiner Topografie (die Allen in den ersten Minuten ausführlich mit Bildern von berühmten Straßen und Gebäuden absteckt), seiner Geschichte und vor allem seiner Mythologie, vom Künstlerleben bis zur Liebe, ist ihm dafür der perfekte Hintergrund. Gil begreift diese Stadt als Chance, seiner eigentlichen Berufung nachzugehen. Doch zunächst steht ihm eine große Unzufriedenheit im Weg, nämlich im Hier und Jetzt zu leben anstatt zu einer besseren Zeit an einem interessanteren Ort. Jeder, der schon einmal bedauert hat, nicht im Berlin der 20er-Jahre gelebt oder die Beatles live gesehen zu haben, kennt dieses Gefühl.

Altersweise und doch unterhaltsam-amüsant vermittelt uns Allen, der in Owen Wilson ein perfektes filmisches Alter Ego gefunden hat, die Erkenntnis, dass an der Geworfenheit ins Leben nicht zu rütteln ist. Mehr noch: Die märchenhafte Parallelwelt, die Allen entwirft, steckt voller Bezüge zur Kunst, zum Kino und zur Literatur. Und wer Lust hat, mag sie entschlüsseln. Last but not least: Frankreichs Präsidentengattin Carla Bruni spielt eine Museumsführerin, die sich haargenau im Liebesleben von Auguste Rodin auskennt. Unfreiwillig komisch oder herrlich selbstironisch? Eine kleine Unsicherheit ist hier verborgen.

Bewertung: empfehlenswert

Midnight in Paris Span./USA 2011, 94 Min., o. A., R: Woody Allen, D: O Wilson, R. McAdams, tägl. im Abaton (OmU), Holi, Koralle, Passage, Streit's (OF), UCI Mundsburg, Zeise; www.midnight-in-paris.de