Von Nutzen, Brauchen und Handeln: Der Hamburger Armin Chodzinski zeigt mit dem Max Clement Movement “Ressource Baby!“ auf Kampnagel.

Kampnagel. Gemeingüter sind eine vertrackte Angelegenheit. Wir unterscheiden heute in der Regel Privatgüter und staatliche Güter. Über Gemeingüter wie Luft, Gras oder Wasser, die per Definition kostenlos für alle zur Verfügung stehen, denken wir erst nach, seit sie massiv von Ausbeutung bedroht sind. Die Meere sind überfischt, Wälder werden abgeholzt und Weideland verödet.

"Die einzige These lautet, dass eine bessere Welt möglich ist", sagt Armin Chodzinski, "aber es ist kompliziert." Zum politischen Schwerpunkt des diesjährigen Internationalen Sommerfestivals Hamburg erarbeitet der Hamburger derzeit mit sechs Mitstreitern eine "Revue über Nutzen, Brauchen und Handeln" mit dem Titel "Ressource Baby!". Chodzinski, von Haus aus bildender Künstler mit einer erstaunlichen Karriere im Selbstversuch, die ihn als völligen Quereinsteiger in oberste Managementetagen führte, ist es gewohnt, alleine zu arbeiten. Doch beim Thema Gemeingüter musste er sich Mitstreiter suchen.

Er fand sie in dem Hamburger Trio Bandmaster Fresh. Matthias Friedel, Nis Kötting und Jan Rimkeit müssen sich als Gruppe sowieso mit dem Thema kollektive Arbeit auseinandersetzen. Außerdem umfasst die Gruppe die Autorin, Grafikerin und Schauspielerin Karen Köhler, die Künstlerin Claudia Plöchinger und die beiden Computerexperten Michael Schieben und Milan Matull. Schließlich basiert auch die Performance im Sprachgebrauch der Gemeingüter auf einer identifizierbaren Gruppe mit transparenten Regeln.

Eigentlich hat Chodzinski schon mit der ersten Prämisse der Gemeingüter-Debatte ein Problem: Handele aus der Idee heraus, dass der eigene Vorteil der Vorteil anderer ist. "Für den Open-Source-Programmierer ist es toll, für die Band ist es Handlungsprinzip, aber für mich, ein Kind aus den Endwehen der Arbeiterklasse, klingt es wie Neoliberalismus pur. Der Homo oeconomicus wird zum Weltrettungsmodell erhoben. Da kriege ich erst mal einen Hals", sagt er und rührt in seinem Milchkaffee.

Die Gemeingüterdiskussion dreht sich vor allem um eine Frage: Wie können natürliche Ressourcen so verwaltet und bewirtschaftet werden, dass ihr Gebrauch durch die Menschen nicht zur Übernutzung führt. Die Praxis sieht ja so aus, dass Rohstoffe, Fischbestände oder die Erdatmosphäre von "Marktteilnehmern" überbeansprucht werden. Die Folge davon ist, dass der kurzfristige Wettbewerbsvorteil des Einzelnen sich langfristig rächt - und durch den Verlust der Ressource für alle.

Hier setzt die Wirtschaftswissenschaftlerin Elinor Ostrom an. Sie zeigt anhand von Gemeingütern, sogenannten Commons oder Allmende, dass es aufgrund bestimmter Nutzungsregeln möglich ist, die Ressourcen in Selbstorganisation zu verwalten. Die Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft lautet dagegen, das Chaos lasse sich nur mithilfe einer starken Zentralgewalt kanalisieren. Dem grassierenden Bild von der "Tragik der Allmende", setzte Ostrom das Credo entgegen: Lasst die Menschen mehr Allmenden wagen. In Feldstudien wies sie nach, dass kleinere Organisationseinheiten von Gemeingütern robuster waren als zentrale. Ihre Arbeit ist auch ein Plädoyer für den Glauben an das Bürgerengagement. 2009 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Die Aktualität der Gemeingüterdebatte hat auch damit zu tun, dass das eigene "lokale" Tun, und sei es noch so gut und nachhaltig gemeint, dafür sorgt, dass auf der anderen Seite der Welt alles den Bach runtergeht. "Am Ende des Tages fragen wir nach dem Leviathan, der für uns die Sachen regelt", so Chodzinski. "Die Erkenntnis, dass er tot ist, ist schmerzhaft." Aus dem Dilemma leiten die Menschen individuelle Folgen ab. Einige haben Zugang zu Alternativen durch Bildung und Reflexion, andere ohne Zugang zu intellektualisierten und kulturalisierten Gruppen werfen, wie derzeit in London zu beobachten, aus blinder Wut Scheiben ein.

Chodzinski stammt aus einer Zeit, als das Sein das Bewusstsein bestimmte. Zumindest funktionierte es für ihn. "Ich bin geistig-emotional in meinem Zugriff auf die Welt 1986 stecken geblieben", sagt er. Er wurde Anhänger jener Subkulturbewegung, die sich ausgehend von der britischen Arbeiterjugend "Mod" nannte. Die das Anderssein anerkannte und in einem Wunschkollektiv aufgehen ließ. Heute bestimmt in der Wissensökonomie das Bewusstsein das Sein.

"Ressource Baby!" ist als Revue angelegt und der Tradition des Vaudeville verpflichtet, eines Unterhaltungstheaters, das als Folge von Musik-, Tanz- und Artistiknummern eine gesellschaftliche Transformationsphase aufgreift. "Es gibt große Gesten, die die Gütermatrix aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang als Eins-zwei-drei-Hüpfspiel vermittelt", sagt Chodzinski. "Vor allem wird sich zeigen, dass es den Performern um alles geht."

Max Clement Movement: Ressource Baby! - Eine Revue über Nutzen, Brauchen und Handeln 17. und 19.8., 21.00, 18.8., 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 22-24, Karten 12,-/erm. 8,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de