Das Schleswig-Holstein Festival Orchester focht in der Laeiszhalle manchen Strauss aus

Hamburg. "Strauss!", rief der Dirigent Lawrence Foster mit schwungvollem Achselzucken in den Saal, und man ahnte schon, dass sich da einer diebisch freut, die Meute wenigstens einen Augenblick lang mit dem richtigen Namen auf die falsche Fährte zu locken. Denn natürlich war die Zugabe mitnichten von jenem Strauss, dessen Monumentalschinken "Eine Alpensinfonie" das Schleswig-Holstein Festival Orchester soeben unter seiner Leitung mit donnernder Bravour bewältigt hatte und mit dessen "Vier letzten Liedern" schon die kaum halbstündige erste Hälfte des Konzerts bestritten worden war.

Nein, nach all den wuchtigen Klangmalereien Marke Orchesteröl auf Partiturleinwand gab's zum Ausklang den "Kaiserwalzer" des Wieners Johann Strauss (Sohn), eine Musik, die sich in ihrem weichen Fin-de-siècle-Raffinement gegen das Berg-Werk des Kollegen aus München ausnimmt wie ein duftiges Aquarell.

Foster stellte jetzt taktelang das Dirigieren ein, lehnte sich demonstrativ am Pult zurück und hörte lächelnd den über 100 jungen Musikern aus aller Welt zu. Im Hauptprogramm hatte die derzeit in der Akademie Rendsburg auf ihre Orchesterzukunft hintrainierende Nachwuchselite ja schon ausreichend bewiesen, dass sie dem jovial wirkenden Maestro aus der Hand frisst. Doch so umwerfend schwungvoll, selbstgewiss und sensibel, wie man frühere Inkarnationen des Festival-Orchesters in Erinnerung hat, spielte dieses hier am Sonnabend in der Laeiszhalle nicht auf. Die Bläser klangen erfreulich homogen, die von Strauss verlangte Geiger-Großmacht aber griff derart beherzt in die Saiten, dass einen bisweilen schneidende Erinnerungen an die Violinen in der Duschszene von "Psycho" befielen.

Dass auch bei den "Vier letzten Liedern" Wünsche im Orchesterpart offenblieben, dürfte der Jugend der Musiker und der Kürze ihres Zusammenspiels geschuldet sein. Um ein so diffiziles, lebensherbstliches Stimmenflechtwerk nicht nur buchstabengetreu, sondern auch geistig angemessen wiederzugeben, bedarf es neben ausreichend Probenzeit wohl vor allem etwas mehr Lebenserfahrung - als Individuum und als Orchester.

Waltraud Meier sang die "Vier letzten Lieder" mit dem kostbaren, wie in dunklen Kupfertönen schimmernden Timbre ihres Mezzosoprans. Gern hätte man nicht nur die glorios glückstaumelnde Melodie des "Frühlings" von weniger Orchesterbrio überlagert gehört. Dafür verlieh Meiers noble Volumen-Zurückhaltung auch in den übrigen Liedern ihrem Gesang noch innigeren Abschiedscharakter.