Marie Kreutzer ist ein starkes Familiendrama gelungen. Ähnlich wie in “Blue Valentine strahlt auch hier die Vergangenheit in die Gegenwart.

Ein heruntergekommener Bauernhof irgendwo auf dem Land in Österreich. Nach dem Tod des Vaters Hans (Johannes Krisch) kommen seine erwachsenen Kinder hierher zusammen, um Abschied zu nehmen. Da ist zum Beispiel Sohn Niki (Philipp Hochmair), der als Mediziner in München arbeitet. Vito (Andreas Kiendl) ist ein lebensfreudiger, aber auch sehr zielloser Idealist. Mizzy (Emily Cox) leidet an einer neurophysischen Störung. Nicht zu vergessen Hans' viel zu junge Lebensgefährtin Anna (Marion Mitterhammer). Und dann kommt eine, die wirklich niemand auf der Rechnung hatte: Kyra (Andrea Wenzl). Auch sie ist Hans' Tochter - aus jener Zeit, als der Bauernhof noch eine Kommune war.

Und nun blendet der Film immer mal wieder zurück in die 80er-Jahre. Wir sehen Hans, wie er mit Federschmuck wie ein Indianerhäuptling über die Wohngemeinschaft gebietet und der Utopie eines freien, von Zwängen unbelasteten Lebens nachjagt. Ein Ideal, das nur schwer zu verwirklichen ist. Irgendjemand hängt doch am Besitz, irgendjemand gehört doch zu jemand anderem, irgendjemand will doch bestimmen. In der Gegenwart hingegen ist Kyra entsetzt, dass die anderen nichts von ihrer Existenz wussten. Es wird diskutiert und gestritten, über kaputte Lebensträume und verpasste Chancen. Und natürlich erfahren wir auch das Geheimnis um Kyras Mutter.

Die 34 Jahre alte Regisseurin und Autorin Marie Kreutzer verbindet in ihrem Spielfilmdebüt auf intelligente Weise, mit klug konzipiertem Drehbuch und exzellenter Montage, die unterschiedlichen Zeitebenen. Dabei sind die 80er-Jahre durch grobkörnige, gelbbraun getönte und manchmal eigentümlich blasse Bilder kenntlich. Ähnlich wie in "Blue Valentine", der ebenfalls in dieser Woche im Kino startet, strahlt auch hier die Vergangenheit in die Gegenwart.

Die Gründe für Neid, Eifersucht, Missgunst, Krankheit und Versagen liegen weit zurück, und auf einmal ertappt man sich als Zuschauer dabei, dass man selbst sein Verhältnis zu den eigenen Geschwistern hinterfragt. Dabei verzichtet Kreutzer gänzlich auf dramatische Krisen. Angenehm locker gleitet ihre Inszenierung dahin. Beim Essen im Freien oder beim abendlichen Glas Wein entfalten die Schauspieler eine bewundernswerte Gruppendynamik, in der die Dialoge nur so hin- und herfliegen. Toll gemacht.

Bewertung: empfehlenswert

Die Vaterlosen Österreich 2011, 107 Min., ab 6 J., R: Marie Kreutzer, D: Andreas Kiendl, Andrea Wenzl, Emily Cox, Philipp Hochmair, Johannes Krisch, täglich im Blankeneser; www.dievaterlosen.at