Die schwedisch-französische Kino-Satire “Sound of Noise“ ist anarchisch gedacht, tickt aber so vorhersehbar wie ein Metronom.

Hamburg. Die Kampfschrift ist auf Notenpapier niedergelegt und mit kleinen Zeichnungen gespickt. "Music For One City And Six Drummers" steht auf dem Deckblatt. Klingt unverfänglich. Aber dahinter verbirgt sich eine Partitur des Terrors. Magnus, Trommler mit Halbglatze und Bücherwurmgesicht, hat sie geschrieben, Sanna, seine Freundin, sucht geeignete Exekutoren. Mit einem Schlagzeuganschlag in vier Sätzen wollen sie eine ganze Stadt in Furcht und Schrecken versetzen.

Diese Stadt liegt wohl in Schweden, denn Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson, die Erfinder und Regisseure der Filmsatire "Sound of Noise", stammen aus Lund, Drehort war Malmö. Doch gemeint ist eine Überall-und-nirgends-Stadt, in der in Orwell'scher Gemütlichkeit von den Straßenlaternenpfählen Lautsprecher hängen wie Vogelkäfige, aus denen unentwegt Musik zum Weghören dringt.

Wie jeder anständige Serientäter hinterlassen auch die Trommelterroristen stets ein Requisit, das auf ihre Urheberschaft verweist: ein altmodisches, mechanisches Metronom. Das kennt der mit der Strafverfolgung befasste Polizist Amadeus Warnebring aus seiner Kinderzeit. Leider ist der Dirigentensohn so musikalisch wie ein Kürbis, sein kleiner, hübscher Bruder dafür der Musenüberflieger schlechthin. Von klein auf ist Warnebrings Verhältnis zur Musik so gestört, dass er sich nichts sehnlicher wünscht als Stille.

Der einigermaßen skurrile Spielfilm "Sound of Noise" lässt die beiden Extremleidenden aufeinander los: die Trommler, die angesichts der Verflachung von Musik im öffentlichen Raum die Wut packt, und den Polizisten, der vom Sound of Silence träumt und dieser Sehnsucht kaum weniger rabiat Geltung verschafft. Was die beiden miteinander verbindet, ist ein sonderbares, unerklärliches Phänomen: Wer je als unfreiwilliges Instrument mit den Trommlern in Berührung gekommen ist, wird für Warnebring unhörbar. Von Anschlag zu Anschlag klingt die Welt für ihn leiser, deshalb lernt er die Lärmfabrikanten bald schätzen. Nicht einmal deren Chefin Sanna, in die sich Warnebring keusch und ziemlich rettungslos verguckt, weiß, dass ihr Verfolger zu ihrem geheimen Verbündeten wird.

Dieser musikalische Anarchismus in Cinemascope ist turbulent gedacht, aber im Kino vollzieht er sich leider ähnlich gleichmäßig und vorhersehbar wie die Schläge des Metronoms. Und der Humor der Schweden ist zumindest teilweise doch sehr speziell. In Zeit-en politisch massenhaft vernichteter Staatsmilliarden hört man vielleicht mit Schadenfreude, wie beim Banküberfall-Gig der Trommeltyrannen die Geldscheine auf dem Beat in den Dokumentenzerschnipsler geschoben werden und dabei ein raschelnd-schneidendes Geräusch machen. Aber dass die Gang im OP-Raum eines Krankenhauses nicht nur die diversen technischen Gerätschaften auf ihre fiependen und blubbernden Klangeigenschaften hin zweckentfremdet, sondern sich trommelnd auch über einen speckigen TV-Moderator hermacht, der auf seinen Eingriff wartet, ist geschmacklos.

Trotzdem fliegen den manischen Trommlern viele Sympathien zu, denn sie sind offenbar aus besonderem Holz geschnitzt. Egal ob sie im Sinfonieorchester bei Haydn auf den einen Kesselpaukenschlag warten müssen (und ihn nach Meinung des Dirigenten immer einen Tick zu früh oder zu spät platzieren), ob sie auf altmodischen Simmons-Drums rumgewittern oder ihren sturzlangweiligen Dienst in einer Seniorentanzkapelle versehen. Denn in jedem von ihnen, so unscheinbar sie auch sein mögen, steckt das Tier.

Und für den empfindlichen bis neurotischen Polizisten Amadeus Warnebring fanden die Regisseure in Bengt Nilsson einen ziemlich tollen Darsteller. Er wirkt wie eine Provinzausgabe von Daniel Craig: hager, einsam, undurchsichtig. Sein Schicksal als rabenschwarzes Schaf der Familie trägt Warnebring mit Fassung, und dass das Kommando Trommelterror auch die Philharmonie, der sein Bruder als umjubelter Dirigent vorsteht, im Visier hat, ist ein Rechtsbruch, der ihn mit klammheimlicher Freude erfüllt.

+++ "Sound Of Noise": Radikale Lautmalerei +++

Das Team Simonsson/Nilsson brachte vor zehn Jahren mit "Music For One Apartment And Six Drummers" einen zehnminütigen Kurzfilm heraus, der viele wichtige Filmleute in helles Entzücken versetzte. Beim Debüt musizierten dieselben Akteure des "Sound of Noise"-Films, allesamt Schlagzeuger im Hauptberuf, auf Haushalts- und Einrichtungsgegenständen. Nun sollte eine Story her, damit der Einfall mit den bösen Buben und dem geheimen Groove der Geräte einen Spielfilm trägt. Das ist nicht ganz geglückt. Was man als Liebhaber regelloser Klänge aber wirklich bedauert: Die Musik, die das infernalische Sextett auf Bulldozern, Bürostempeln, Beatmungsschläuchen, Computertastaturen und unzähligen weiteren Interims-Instrumenten erzeugt, ist geradezu beunruhigend ordentlich.

"Sound of Noise", ab heute im UCI Smart-City