Der Saxofonist Johannes Enders feiert in “Billy Rubin“ seine Rückkehr ins Leben

Es ist ein makaber lustiges Wortspiel, das sich der Weilheimer Tenorsaxofonist Johannes Enders da auf seinem neuen Album erlaubt. Wer ist dieser Billy Rubin? Es könnte ein Spitzname für den langjährigen Weggefährten Billy Hart am Schlagzeug sein, der auf dieser Aufnahme so stimmungsvoll und abgeklärt trommelt. Nur das blutrot eingefärbte Cover gibt einen dezenten Hinweis auf die biografische Wahrheit, der die Platte ihren Namen verdankt: das Wort Bilirubin. Ein Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffs, von dem man besser nicht zu viel im Körper haben sollte. Neugeborene mit nicht ausreichend abgebautem Bilirubin sehen gelb aus und müssen unter blaues Licht. Johannes Enders hatte mit Bilirubin eine sehr viel existenziellere Erfahrung. Das Album ist deshalb auch ein Tribut an eine überstandene schwere Krankheit.

Kann man das hören? Tatsächlich wirken die sieben im Quartett mit dem Schweizer Pianisten Jean Paul Brodbeck und dem serbischen Kontrabassisten Milan Nicholic aufgenommenen Stücke wie der Klang gewordene Ausdruck von Dankbarkeit. Wer die Botschaft dieser Musik in Sprache übersetzen wollte, würde von wachen Sinnen reden, von Demut, von der Schönheit, die entsteht, wenn reife Musiker beim Spielen aufeinander hören.

Aufgenommen an einem einzigen Februartag des Jahres 2010, atmet die Musik vom ersten bis zum letzten Takt den Geist vergegenwärtigter Jazzgeschichte. Man denkt an alte Blue-Note-Aufnahmen, man denkt an das Coltrane-Quartet und an die Meditationen eines Charles Lloyd, und doch ist die Verwechslungsgefahr gering. Enders' Spiel ist frei von Brio, von Pathos, es ist, bei aller Tiefe, so leicht und sanft, wie man es von ihm selten zu hören bekommt. Enders kann ja auch anders, elektronisch, bissig, abstrakt.

Stellt euch vor, wir leben jeder auf einer anderen Insel und kommen nur ganz selten zum Spielen zusammen: Diese Direktive gab Johannes Enders am Morgen vor der Aufnahmesession an seine Mitspieler aus. Der Appell zur aktiven Wahrnehmung der Kostbarkeit ihrer Zeit traf bei den Musikern auf offene Ohren. Gemeinsam feiern sie das glücklich wiedergefundene Leben.

Johannes Enders: Billy Rubin (Enja)