Ich sag mal: Warum Sprachforscher und Sprachkritiker einander nicht leiden können. Die letzte Kolumne von Hermann Schreiber

Darf irgendjemand jemand anderem vorschreiben oder wenigstens empfehlen, wie er oder sie reden und schreiben soll? Gibt es einen "richtigen" und einen "falschen" Umgang mit der Sprache, also eindeutig "gutes" oder "schlechtes" Deutsch?

Es gibt auf diese Frage keineswegs nur eine Antwort, sondern zwei, die einander so unversöhnlich gegenüberstehen wie die Sprachwissenschaftler (also die Linguisten) und die feuilletonistischen Sprachkritiker (also Leute wie ich zum Beispiel). Nach Meinung der Linguisten tun Leute wie ich etwas, das man nicht tun sollte: Sie bewerten den Sprachgebrauch. Werturteile sind demnach auf Sprachen grundsätzlich nicht anwendbar; Wörter haben keine "richtige" Bedeutung, sondern bedeuten, was immer der Schreibende mit ihnen sagen will. Außerdem ist Sprachkritik nach Ansicht etlicher Linguisten undemokratisch; "richtig" hieße nichts anderes als "gesellschaftlich akzeptabel".

Als ich vor Jahren anfing, Sprachglossen zu schreiben (von denen das Abendblatt über hundert gedruckt hat), war mir diese Argumentation nicht bekannt. Heute, da ich damit aufhöre, kann ich ihr immer noch nicht folgen. Sie ignoriert, dass Leser wissen wollen, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht ist. Und das bedeutet doch wohl, dass man den Sprachgebrauch, der das letztlich entscheidet, kritisch betrachten muss.

Das jedenfalls war die Absicht dieser Kolumne. Sie wollte nicht belehren, sondern darauf aufmerksam machen, dass (und vor allem wo) Sprache dazu herhalten muss, zu täuschen, mindestens zu vernebeln - im routinierten Politikersprech zum Beispiel oder im autoritären Auftritt der Bürokraten (deren Wortwahl zuweilen leider durch das Nachrichtendeutsch geistert).

Ich beende diese Kolumne, weil ich das alles bereits geschrieben habe und mich nicht wiederholen will. Auf die Anregung, doch endlich mal eine Kolumne über den richtigen Gebrauch von "als" und "wie" oder über die korrekte Unterscheidung zwischen "scheinbar", "anscheinend" und "augenscheinlich" zu schreiben, kann ich nur erwidern, dass ich das längst getan habe. Ich danke allen Leserinnen und Lesern dennoch für ihre Aufmerksamkeit.