Elke Dröscher zeigt in ihrer Galerie am Grotiusweg fotografische Kinderporträts von 1850 bis heute. Die Fotos erzählen eine Kulturgeschichte.

Kunstraum Falkenstein. Fotoporträts von Kindern gibt es schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Bereits die ersten Fotografen haben sich der Herausforderung gestellt, Kinder aufzunehmen. Das war eine problematische Angelegenheit, denn die Kinder fühlten sich von der Atmosphäre des Ateliers verunsichert und hatten Mühe, während der damals noch notwendigen langen Belichtungszeit minutenlang still vor der Kamera auszuharren. Insofern zeigen die Daguerreotypien oft Kinder, die merkwürdig entrückt und zugleich erstaunlich präsent wirken.

Zurzeit zeigt die Galeristin Elke Dröscher in ihrem "Kunstraum Falkenstein" eine Ausstellung, die die Entwicklung des Kinderporträts anhand markanter Beispiele nachzeichnet. "Bitte recht freundlich!?" heißt der Titel der Schau, in der entsprechende Motive von den Anfängen bis zur zeitgenössischen Fotografie zusammengestellt sind.

Etwa 1850 entstand in Glasgow das Porträt eines Jungen. Dass er wie ein Mädchen gekleidet ist, war um die Mitte des 19. Jahrhunderts üblich. Die linke Hand legt er auf das Polster eines mit rotem Samt bezogenen Stuhls. In der Rechten hält er eine Reitpeitsche, die er leicht durchdrückt. Er blickt zu Boden und wirkt fast ein wenig trotzig, vielleicht nervt ihn die aufwendige Maskerade und die quälend lange Zeit, die er stillhalten muss. Erstaunlich, wie perfekt es dem Fotografen gelungen ist, dem Bild mithilfe von Staubfarben Natürlichkeit zu verleihen. Das Bild ist keineswegs zeitlos, es konserviert zwar einen Augenblick und verweist zugleich auf seine Vergänglichkeit: Es ist merkwürdig sich vorzustellen, dass das abgebildete Kind der Generation unserer Urgroßeltern angehört.

Völlig anders wirken die inszenierten Kinderporträts, die August Sander im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts im Westerwald aufgenommen hat. Kleidung und Haltung sind Ausdruck der Zeit, die Mädchen tragen Matrosenkleidung, wie das in Deutschland seit der Wilhelminischen Ära modisch war. Einige Jungs sind mit Binder und Hut wie kleine Erwachsene ausstaffiert. Trotzdem wirken die Bilder nicht künstlich, sondern haben einen jeweils ganz individuellen Ausdruck. Sanders Porträts zeigen Menschen seiner Zeit, der bedeutende Protagonist der Neuen Sachlichkeit wurde auch hier seinem Anspruch gerecht, "Menschen des 20. Jahrhunderts" zu dokumentieren.

Um eine Dokumentation, wenn auch mit völlig anderem Anspruch, ging es dem renommierten Hamburger Fotografen Robert Lebeck, als er 1971 für die Illustrierte "Stern" nach Nordindien reiste. In Dharmsala besuchte er ein Flüchtlingscamp mit Kindern aus Tibet. Viele von ihnen waren krank, hatten keine Familien und keine Perspektive. Um ihnen Patenschaften zu vermitteln, sollte Lebeck sie fotografieren. Behutsam, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen ging er auf die Kinder ein und gewann Vertrauen. Er drückte ihnen eine Schiefertafel in die Hand, die mit je einer Nummer versehen war.

41 Flüchtlingskinder porträtierte Lebeck damals und schuf damit 41 eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Bilder, die wie Persönlichkeitsstudien wirken. Die Kinder sind keine Nummern, mit der Ernsthaftigkeit, die Ausdruck ihres Schicksals ist, und ihrer enormen Präsenz nehmen sie den Betrachter für sich ein. Kein Wunder, das die Patenschaftsaktion damals ein Erfolg wurde.

Prüfend und eindringlich ist dagegen der Blick des jungen Mädchens, das Ingolf Timpner aufgenommen hat. Das Gesicht wirkt verletzlich, der Blick beinahe suggestiv, die Zartheit der Kinderhände wird durch das tiefe Dunkel, das sie umgibt, noch verstärkt.

Auf ganz andere Weise inszeniert sind die Bildnisse von Bernhard Prinz, die den Titel "Geschwisterliebe I + II" tragen. Es sind Profilaufnahmen, die ein Geschwisterpaar zeigen; zwei Kinder, die als individuelle Persönlichkeiten erscheinen und merkwürdig ausgeprägt wirken. Elke Dröscher bezeichnet sie als Ideenbilder: "Jede Präsentation, jedes Detail ist das Ergebnis eines präzisen Auswahlverfahrens: So wird das Kinderporträt zu einer Metapher."

"Bitte recht freundlich!?" bis 20.8., Di-So 11.00-17.00, Kunstraum Falkenstein (Bus 189), Grotiusweg 79