Beim Meisterkursus der King's Singers kann man dabei sein, wenn aus guten Sängern richtig gute werden

Lübeck. "Es klingt schon sehr schön, ich mag deine Stimme wirklich!", sagt Bariton Christopher Gabbitas von den King's Singers. "Aber ich glaube, es würde helfen, wenn du den Mund beim Singen weiter öffnest." Linda Tan, Sopranistin des Berliner Quartetts Via Nova, steht auf der Bühne im Großen Saal der Lübecker Musikhochschule und nickt verständig. Also gut. Probieren wir das doch einfach mal. Und siehe da: Welch ein Unterschied! Beim nächsten Anlauf ist nicht nur der Text, sondern auch der tieftraurige Ton des Renaissance-Madrigals "Weep, O Mine Eyes" schon sehr viel besser zu verstehen.

Ein echtes Aha-Erlebnis. Und davon gibt es beim A-cappella-Meisterkursus der King's Singers im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals so einige. Ihr pädagogisches Konzept lautet: Erst wird gelobt, dann gibt's ein paar Anregungen. Das scheint simpel. Aber nur auf den ersten Blick. Denn wie zielsicher die sympathischen Briten bei jeder der neun Gruppen, unabhängig von Alter, Herkunft und Background, die entscheidenden Stellschrauben finden, ist schon große Kunst. Das geht nur mit ganz viel musikalischem und menschlichem Fingerspitzengefühl.

Von den Latvian Voices - eine junge lettische Frauenformation mit wunderbar warmem Timbre - wünscht sich Philip Lawson weniger Vibrato. "Sonst sind die Einzelstimmen zu stark zu hören. Für den Ensemblegesang ist es wichtig, dass der Klang zu einer Einheit verschmilzt. Und dabei stört das Vibrato, es sollte nur ab und zu als Farbe eingesetzt werden." Stimmt. César Cuis romantisches Stück "Strahlender Stern" klingt homogener, die Akkorde sind viel klarer, wenn die Stimmen gerade geführt werden.

Den Tenören der italienischen Gruppe Armoniosoincanto/Vivae Vocis Concentus hilft es, als der berühmte Kollege Paul Phoenix bei William Byrds "Ave verum" hinter ihnen steht und gleichmäßig mit dem Finger an die Schultern stupst. Jetzt ist ihnen der Puls der Musik ganz klar. Vorher sind sie ein bisschen geeilt.

Diese Basics hat das preisgekrönte Ensemble Quartonal bereits verinnerlicht: Die vier jungen Herren, die sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei den Chorknaben Uetersen kennen, singen schon auf einem sehr hohen Niveau und bringen viel von dem mit, worauf die King's Singers Wert legen: gemeinsames Atmen, saubere Intonation, starke dynamische Kontraste und eine sorgfältige Textbehandlung. Mit ihnen basteln die Briten am Feintuning - zum Beispiel beim atmosphärischen "Schilflied" des Schweizer Komponisten Heinrich Sutermeister. "Ihr könnt die verschiedenen Stimmungen des Stücks noch mehr auskosten", rät Christopher Gabbitas. "Und euer A dürfte beim Wort 'scheiden' etwas heller gefärbt sein!"

Der bewusste Umgang mit Farben ist ohnehin ein elementarer Bestandteil der King's-Singers-Philosophie: "Wie jedes andere Organ auch ermüdet das Ohr, wenn es zu lange auf dieselbe Art beansprucht wird. Man sollte darum immer versuchen, eine möglichst breite Palette zu nutzen - von ganz leisen, luftig-weichen Tönen bis zum eckigen Fortissimo. Sonst wird es auf Dauer langweilig."

Zu einem gelungenen Konzert gehört jedoch noch mehr: Das Auge hört schließlich mit. Deshalb beschränkt sich der Meisterkursus nicht auf rein musikalische Aspekte, sondern umfasst auch ein professionelles Auftritts-Training. "Ihr wisst doch, was das Wort 'halleluja bedeutet, oder?", fragt Tenor Paul Phoenix seine Landsleute von der Gruppe The Songme. "Damit wird eine unbändige Freude ausgedrückt - das muss man an den Gesichtern ablesen! Ich kann aber kein Glitzern in euren Augen erkennen!"

Bei den Lübecker Lokalmatadoren, der Gruppe more than words, und ihrem witzigen Geier-Song aus dem Dschungelbuch-Film moniert Altus David Hurley die Körpersprache. "Wenn einige von euch so die Hände vorm Schritt falten, sieht das ein bisschen komisch aus. Als würdet ihr beim Fußball in der Mauer stehen und auf einen Freistoß warten!"

Großes Gelächter im Saal. Überhaupt würzen die King's Singers - meist ganz leger in Jeans und T-Shirt unterwegs - ihre Arbeit immer wieder mit lockeren Sprüchen und Übertreibungen. Mittags reihen sie sich in die Mensa-Schlange ein; abends sitzen sie gemeinsam mit ihren Kollegen beim Bierchen auf den Holzbänken im Innenhof der Hochschule. So entsteht jene außergewöhnliche Atmosphäre, die diesen Meisterkursus - abgesehen von seiner künstlerischen Qualität - so besonders macht. "Es sind nicht nur großartige Musiker, sondern auch wunderbare Menschen", schwärmt Mirko Ludwig vom Ensemble Quartonal. "Man spürt bei ihnen einfach, dass das alles von Herzen kommt."

Meisterkurse Di 2.8., 10.00-16.30 und Mi 3.8., 10.30-12.30, Lübecker Musikhochschule, Jerusalemsberg/Ecke Konstinstraße, Tageskarten für Gasthörer zu 10,- im Büro der Meisterkurse, das Abschlusskonzert am 3.8. ist bereits ausverkauft.