Was wurde aus den Fußballern, die 1998 mit dem BVB A-Juniorenmeister wurden? Ein Film von Christoph Hübner erzählt ihre Geschichten.

Einst waren sie bereit, alle Gipfel zu stürmen. Mit 16, 17 Jahren galten sie als die Größten: mehrfach deutscher Meister mit den Jugendmannschaften von Borussia Dortmund, Juniorennationalspieler, WM-Teilnehmer. Francis Bugri lief bei der Weltmeisterschaft 1997 gemeinsam mit Sebastian Deisler und Roman Weidenfeller auf und wurde ins All-Star-Team gewählt. Für den BVB hat er sogar mal in der Champions League gespielt. Die zurückliegende glorreiche Meistersaison der Dortmunder aber hat er nur aus der Ferne beobachten können. Er hat damals zwar einen Profivertrag bekommen, wurde aber bald wieder aussortiert. "Zu lieb", sagen die Trainer. "Immer schon zu lieb", bestätigt seine Mutter. Bugri teilt dieses Problem mit vielen anderen hochbegabten Talenten, die sich in der Sportart nicht durchsetzen konnten: Am Ball kann er alles, aber er ist einfach nicht robust genug. Ein "halbes Hemd", wie die Fußballer sagen.

1998 bis 2001 hat der Dokumentarfilmer Christoph Hübner einen Film über Bugri und seine Altersgenossen gedreht. "Champions" hieß das Werk. Damals war der Titel durchaus treffend - heute klingt er wie Hohn. Keiner der Kicker hat die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen können. Als sie 1998 gemeinsam A-Junioren-Meister wurden, wären sie höchstwahrscheinlich beleidigt gewesen, wenn man diesen Moment als ihren Zenit bezeichnet hätte. Aber falls überhaupt, dann spielen sie mittlerweile unterklassig.

Sehen Sie hier den Trailer zum Film

In den letzten Jahren hat Hübner die jungen Männer erneut mit der Kamera begleitet. Heiko Hesse zum Beispiel ist einen ganz anderen Weg gegangen: Er hat BWL studiert, sogar in Oxford, und arbeitet jetzt für die Weltbank in Washington. Dem Fußball ist er zwar treu geblieben, aber nur als Freizeitsportler. Bugri dagegen musste erst die Erfahrung machen, bis in die Landesliga durchgereicht zu werden, ehe ihm klar wurde, dass er nach einer Alternative Ausschau halten muss: Sportmanagement, Fernstudium.

Hübners zweiter Film über die einstigen Talente heißt "Halbzeit", denn in einigen Jahren will er sie ein drittes Mal aufsuchen. Womöglich muss er dann nach Ghana reisen, um zu erfahren, was aus Mohammed Abdulai geworden ist. Der Afrikaner glaubt am hartnäckigsten von Hübners Kickern an seine Chance: Irgendwann kommt das Glück, sagt er immer wieder. Bei Claudio Chavarria kam es nie, zumindest nicht auf deutschen Fußballplätzen; Hübner stöberte den Chilenen irgendwo in Südamerika auf. In Deutschland kam er nie so recht mit der Mentalität klar; Sprachprobleme taten ein Übriges. Immerhin hat er sein Geld gut angelegt. Seine Laster werden noch rollen, wenn er Fußball allenfalls mit seinen Kindern spielt.

Es passt ins Bild, dass der Film keinerlei Spielszenen mit Bugri und Abdulai enthält. Stattdessen ist der Ghanaer des Öfteren bei Aus- oder Einzügen zu sehen. Entsprechend mitgenommen sieht mittlerweile das Poster aus, das die strahlenden Gesichter der einstigen A-Junioren zeigt. Die in Schwarz-Weiß gehaltenen Rückblenden in die Erfolgsjahre lassen die Gegenwart umso bitterer wirken. Auf der großen Bühne darf allein Florian Kringe aufspielen. Der hatte in "Champions" nur eine Randrolle und ist nun in Hübners Kader gerückt. An seiner Person verdeutlicht der Regisseur, dass selbst die Unterschrift unter den begehrten Profivertrag und regelmäßige Einsätze in der ersten Mannschaft keine Garantie dafür sind, dass man es geschafft hat. Vollmundig formuliert Kringe, der sogar ins Perspektivteam für die WM 2006 berufen worden ist, seine Ziele in die Kamera: Nationalmannschaft und Titel sammeln. Zwei Mittelfußbrüche machten den Träumen ein vorläufiges Ende.

"Halbzeit" zeigt jenseits des ergebnis- und erlebnisorientierten "Sportschau"-Fußballs, was mit denen passiert, die gewogen und für zu leicht befunden werden. Hübner verzichtet dabei auf jeden Kommentar, zu Wort kommen allein die Spieler. Ihre Stellungnahmen sind allerdings angenehm unpathetisch. Ganz offen spricht beispielsweise Abdulai über seine Angst, eine Verletzung könne ihn den Stammplatz kosten; deshalb spielt er selbst dann, wenn andere vor Schmerzen kaum laufen könnten.

Trotzdem ist aus den Aussagen der jungen Männer erstaunlich wenig Frustration herauszuhören. Sie wirken eher erstaunt darüber, dass ihre hochfliegenden Träume eine derart schmerzhafte Bruchlandung erlebt haben. Einzig Florian Kringe bleibt auf Distanz; seine Aussagen entsprechen den üblichen nichtssagenden Fußballer-Interviews. Dennoch ist Hübners Film ein Lehrstück für alle, die glauben, überdurchschnittliches Talent reiche aus, um Karriere zu machen.

Halbzeit Sonntag 3sat 21.45