Auf ihrem sehr schönen neuen Album “Standing On The Rooftop“ holt die Sängerin Madeleine Peyroux den Folk in die Stadt.

Hamburg. Album für Album entzieht Madeleine Peyroux dem in ihren Anfangsjahren nahezu reflexhaft angestellten Vergleich mit Billie Holiday mehr an Daseinsberechtigung, Album für Album findet sie zuverlässiger ihren eigenen Ton, ihre eigene Stimme, ihre eigenen Geschichten. Die amerikanische Sängerin, die mit 16 an der Seite ihrer Mutter nach Paris zog und dort auf den Boulevards als Straßenmusikerin anfing, klingt immer weniger jazzig. Doch beim Spielen mit ihren Melodien gewährt sie sich immer mehr Freiheit.

Auf ihrem schönen neuen Neo-Folk-Album "Standing On The Rooftop" hebt uns Madeleine Peyroux, die erst nach und nach von der Interpretin zur Songschreiberin herangereift ist, weniger zu sich aufs Dach, von dem aus der Blick in weite Fernen schweift. Vielmehr führt sie uns in das aus vielen eigensinnig möblierten Räumen bestehende Gehäuse ihrer Imaginationskraft. Drei Cover - Beatles, Dylan und eine ziemlich magische Version von Robert Johnsons "Love In Vain" -, der Rest ist selbst oder in Partnerschaft komponiert. Zwei Lieder schrieb sie mit dem früheren Stones-Bassisten Bill Wyman, der alle ihre Platten besitzt.

Weil der Sängerexperte Craig Street - er arbeitete mit Norah Jones, Cassandra Wilson, k.d. lang, Lizz Wright, Rebekka Bakken - die Platte produziert hat, klingt die Musik unwiderstehlich nach urbanem Dorf. Keiner kriegt diesen ausgebufften Roots-Sound so hin wie er. Abgehangenes Banjogezirp, gemächliche Geigentöne und armselige Billigorgelklänge à la Tanztee in einem Midwest-Kaff vernäht er mit Marc Ribots manchmal wundervoll altmodisch halligen Gitarrenklängen und dem fundamentalistischen Bass von Meshell Ndegeocello zu einem atmosphärisch dichten, dabei ganz transparenten Americana-Stadtmusikanten-Sound. Die Aufnahmen entstanden in New York - die Stadt konserviert neben ihrem eigenen Mythos auch das klingende Herz Amerikas.

Madeleine Peyroux ist eine kluge Frau. Ihr Gesang und ihre Texte sind aufgeladen mit Humor, Wärme und dem Wissen um die Vergeblichkeit allen menschlichen Strebens. Sie kennt das Gewicht der Welt und weiß das Leichte darin schön gegen die Schwere abzuwägen. Im Timbre ihrer völlig ungekünstelten Stimme schwingt auch eine Unbeteiligtheit mit, auf die das titelgebende Rooftop vielleicht auch verweist: Singend steht sie über den Dingen.

Madeleine Peyroux: Standing On The Rooftop (Emarcy/Universal)