Boxhamsters, die unzählige deutsche Bands beeinflussten, geben heute Abend ein Konzert in Hamburg

Knust. Diese Band haben schon so viele Kritiker in eine Schublade zu stecken versucht: Als "Sonic Youth des Deutschpunk" hat der "Musikexpress" die Gruppe Boxhamsters vor zwei Jahren betitelt, "Punk-Intellektuelle" nennt sie der "Spiegel". Denn in der Tat, die Punkband aus Gießen bricht, so wie die New Yorker Noise-Legende Sonic Youth, seit den 80er-Jahren mit Genreerwartungen und Klischees.

Auch mehr als 20 Jahre nach Bandgründung trägt das Quartett das Etikett des cleveren Punk mit sich herum: kein Dosenstechen im Stadtpark, Sicherheitsnadeln in entscheidenden Gesichtspartien, keine leere Attacke auf Recht und Staat und Ordnung, sondern eine kritische Meinung, stets in die Kontexte einer persönlichen Gefühlswelt gebettet. Lyrisch.

So heißt es in "Herzigel" auf dem aktuellen Studioalbum "Brut Imperial": "Von fern seh ich die Seeigel sterben so tief ... hinter den Wellen von Bergen ganz nah - gleich bei den Dünen, und schon liegen wir zwei in den Minen." Metaphern, keine Parolen. Oder, wie es ein Rock-Blog formulierte, "Punk für Tomte-Hörer".

Musikalisch derweil schmiegt sich die Band mit Martin Coburg, Niels Rohrbach, Philipp Lampert und Ulf Jachimsky (heutige Besetzung) vor allem an den amerikanischen Alternative-Punk und Hardcore der 80er-Jahre an - das Schlagzeug trocken, Gitarrenstakkati, treibender Punk, lärmende Ruhe und Melodien, die fast Folkcharakter haben. In Interviews mit der Band fällt immer wieder der Name Hüsker Dü. Die US-Band half dem angestaubten Genre des Punk und Hardcore zu neuer Melodiestärke, ohne jemals einen kommerziellen Durchbruch zu erlangen.

Ähnlich verhält es sich auch mit Boxhamsters, die unzählige deutsche Bands wegweisend beeinflussten, die später einmal deutlich erfolgreicher geworden sind als ihre Gießener Urväter.

Die Band gründet sich 1987, kurz nach dem Abitur. Man trifft sich auf einem Hüsker-Dü-Konzert, schmiedet Pläne. Eine Jugend als Fan in der Kleinstadt. Monthy Python beherrscht die Freizeit der Jungpunks, und so benennen sie sich nach einer Figur der englischen Humorpioniere: Mr. Boxhamster, das ist der Gewinner des Wettbewerbs mit dem Titel "Trottel der feinen Gesellschaft".

Auf der Internetseite der Band erzählt Sänger Martin Coburger seine eigene Geschichte von Boxhamsters, quasi "His-Story". Wie auf schrammeligen Konzerten Freunde zueinanderfinden, wie er nach Neuseeland gegangen ist, der Enge zu entfliehen und dabei die Mixtapes voll mit Sonic Youth, Lemonheads und Bad Religion sind, während die erste Boxhamsters-Platte "Wir Kinder aus Bullerbü" 1988 erscheint.

Erste Erfolge stellen sich ein, die Klassiker-Alben "Der Göttliche Imperator" und "Tötensen" schlagen hohe Szenewellen. Vor allem in den 90er-Jahren verschränkt sich die Band immer stärker mit einer Szene, die später für viel Aufmerksamkeit sorgen wird.

Der spätere Tomte-Sänger Thees Uhlmann führt ein nervös zittriges Interview für ein Fanzine in Friesland, Kettcar und ... But-Alive-Sänger Marcus Wiebusch organisieren Konzerte in Hamburg, das ehemalige Tocotronic-Label Lado bekundet Interesse, Muff-Potter-Frontmann Nagel ist auf einmal auch in der Clique, mit den legendären Punkern von EA80 machen die Boxhamsters sowieso gemeinsame Sachen.

Kurzum, die Geschichte deutscher Punk-affiner Musik ist untrennbar mit Boxhamsters verknüpft.

Boxhamsters, Happy Grindcore, Gottkaiser heute 21.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten: 16,-; www.boxhamsters.net