Sie hatte immer wissen wollen, wo der Tod lebt, und wir waren oft nachts draußen und gruben Löcher und leuchteten mit Taschenlampen hinein, um zu sehen, ob da irgendetwas war. Doch meist roch es nur nach Tod, viel mehr war nicht auszumachen. Ganz egal, wie tief wir gruben.

Natürlich war es mir unangenehm. Aber es war ja Nacht. Und wenn ich das jetzt hier ausbreite, dann nur, weil ich mit Ihnen darüber sprechen möchte. Ich möchte mein Problem zu Ihrem machen. Danke schon mal.

Wir lasen überfahrene Tiere auf und legten sie an die unmöglichsten Orte. Wochen später sahen wir nach, was aus ihnen geworden war. Waren sie weg, war das für sie Beweis genug, dass der Tod an einem anderen Ort leben musste. Nachts lagen wir auf Friedhöfen und lauerten dem Tod auf - etwas, von dem sie glaubte, es bestehe zu großen Teilen aus einem Zuviel an Dunkelheit und Kälte, und nach Stunden des feuchten Herumliegens schlug sie mir auf den Rücken und deutete in eine Richtung, von der sie glaubte, die Dunkelheit dort sei

dunkler als anderswo. "Der Tod", flüsterte sie mir ins Ohr. Wir gingen näher. Meist fanden wir nichts, was auf die Anwesenheit des Todes hindeutete. Höchstens die Stille.

Doch es ließ ihr keine Ruhe. Zu viele Menschen waren einfach schon verschwunden, und sie wollte nun wissen, wo diese waren. Das mit dem Himmel glaubte sie nicht. "Himmel ist doch auch nichts anderes als Nichts. Nur dass man ihm einen Namen gegeben hat, damit man sich nicht so verloren fühlt."

In den Nächten lag sie neben mir und hielt den Atem an, damit der Tod sie für tot hielt. Nackt stand sie zuvor auf dem Balkon, damit sie sich kalt anfühlte. Niemand konnte so reglos sein wie sie - und eines Morgens war sie wirklich fort.

Nun suche ich sie. Am 3. August gibt es eine Führung über den Ohlsdorfer Friedhof, ich hoffe, dort kann man mir sagen, wo der Tod lebt.