In Bristol wurde ein Werk des weltbekannten Streetart-Künstlers überstrichen. Streit über die Denkmalwürdigkeit von urbaner Kunst entbrannt.

Hamburg. Nun ist es also passiert, nicht zum ersten Mal, aber immerhin: passiert. Ein Frühwerk von Banksy wurde übermalt, ein Gorilla mit rosa Maske, den der berühmteste Streetart-Künstler der Welt vor Jahren an eine Hauswand in seinem Geburtsort Bristol gesprüht hatte. In dem Gebäude war damals ein Jugendklub untergebracht, heute ist es ein muslimisches Kulturzentrum. Weil dessen Vorsitzender Saeed Ahmed wollte, dass es ordentlich aussieht, hat er die Graffitis an der Außenmauer überstreichen lassen. Auch den Banksy.

Banksys Werke sind keine wertlosen Schmierereien, bei Sotheby's erzielen sie Höchstpreise. Dass der Brite ein Geheimnis um seine Person macht, weil er sich mit seinen Kunstaktionen zum Teil an der Grenze zur Illegalität bewegt, macht ihn als Figur spannend und verstärkt das Interesse zusätzlich.

Es ist viel Geld im Spiel, und das reicht aus, um Ikonen zu schaffen. Die will man sich einverleiben, was im Falle von Kunst bedeutet, dass Werke in einem würdigen Rahmen präsentiert werden. Marcel Duchamp hat mit seinen Ready-mades gezeigt, wie ein gewöhnliches Urinal signiert und auf einem Podest platziert zur Kunst wird.

Banksy wiederum hat sich selbst ins Museum manövriert, hat seine Werke selbst in die wichtigsten Ausstellungsräume geschmuggelt. So hing etwa seine Interpretation der Warhol'schen Suppendose mehrere Tage im New Yorker MoMA. Allerdings begnügte er sich mit der Eigenmarke der Supermarktkette Tesco. In der Tate Modern fiel das eingeschleuste Werk erst auf, als es von der Wand fiel, weil das Klebeband nicht länger hielt. Auch das bemalte Stück Mauer - es zeigt einen Höhlenmenschen mit Einkaufswagen -, das Banksy ins British Museum schmuggelte, wurde erst nach Tagen bemerkt.

Und doch verhält es sich mit der Kunst Banksys anders als mit jener von Duchamp oder Warhol. Die Streetart drängt nicht ins Museum, ihr Ort ist der öffentliche Raum. Banksy ist, auch wenn eines seiner Werke 2008 bei Sotheby's bereits für 1,8 Millionen verkauft wurde, Guerilla-Künstler. Heimlich bringt er mithilfe von Schablonen - den stencils - sich küssende Polizisten, Ratten oder Gorillas an Hauswände. Sein Vermummter, der statt eines Steins oder Molotowcocktails einen Blumenstrauß in der wurfbereiten Hand hält, bevölkert inzwischen viele Städte. Die Streetart reklamiert den öffentlichen Raum für sich, um Aufmerksamkeit zu erregen, um Botschaften zu formulieren, die diametral den Werbebotschaften für Konsumgüter entgegenstehen, selbst zur Botschaft werden. Deshalb muss sie nicht schön und glatt gebügelt sein. Sie will etwas anderes, es ist eine seltsame Verschiebung, dass Streetart Teil der Kulturindustrie ist.

Banksy mag ausgesorgt haben, doch dafür soll er zur Ikone gezähmt werden. Schützend wirft man sich vor sein Werk, als sei es nicht Teil der Streetart, dass sie jederzeit übermalt werden kann. Sein Film "Exit Through The Giftshop" füllte im letzten Jahr weltweit Kinosäle. Die BBC zitiert Banksy, der erklärte, sein Film sollte für die Graffiti-Kunst bewirken, was Karate-Kid für die Kampfkunst getan hatte. Jedes Schulkind sollte eine Spraydose in die Hand nehmen und loslegen. Doch im Gegenteil: Der Film habe auf die Streetart so gewirkt wie "Der weiße Hai" aufs Wasserskifahren, so Banksy.

Man könnte es auch so sehen: In Vierteln, in denen die Wände voll von Graffiti sind und die Straßen voller Müll, leben nicht jene, die für Kunst zahlen - zumindest bis die Wohnungen saniert sind. Saeed Ahmed wollte mit Farbe seine Fassade verschönern. Jetzt muss er Abbitte leisten: "Ich dachte, es war wertlos. Ich wusste nicht, dass es wertvoll ist", zitiert ihn der "Guardian". Tatsächlich ist das Graffiti wertlos für ihn. Er kann es weder bei Sotheby's noch bei Ebay anbieten und jenen offerieren, die sich um die Arbeiten reißen und die Konservierung von Streetart fordern. Der Gorilla ist inzwischen wieder sichtbar, blass, aber dennoch. Wenn nötig, wird er für Tausende Pfund restauriert werden - weil er ein Vielfaches davon wert ist.