Wie ist das, wenn zwei Frauen auf der Bühne dieselbe Rolle verkörpern? Wir haben die beiden Darstellerinnen der “Amigas“-Tanzshow danach gefragt

Thalia-Theater. "Wir sind gute Freundinnen", sagt Ivette Cepeda, die Sängerin, und zwinkert ihrer "Partnerin" zu. Ihre Partnerin, das ist die Tänzerin Claudia Valdivia. Schön, dass die beiden Freundinnen sind. Denn beide, Ivette und Claudia, verkörpern im Tanzmusical "Amigas" (Freundinnen) ein- und dieselbe Figur: Sie sind die Sängerin Caridad, nur in unterschiedlichen Altersphasen. Für Cepeda und Valdivia ist heute Abend im Thalia-Theater Premiere. Aber es ist nicht ihr erster Hamburg-Auftritt. Die Tänzerin Claudia Valdivia gastierte 2009 mit der Revue "Fuerza y Compás" im Schauspielhaus, die Sängerin Ivette Cepeda vor drei Jahren in der Fabrik beim Festival Son Cuba.

"Ich bin eine Frau, die das Singen liebt", sagt Cepeda. Wie sie das sagt, man glaubt es ihr aufs Wort. "Doch ich habe nie daran gedacht, Sängerin zu werden." Ein Paradox? Nicht für die frühere Mathematiklehrerin aus Havanna. Sie ist es gewohnt, mit weiblicher Logik wissenschaftliche Widersprüche zu meistern. In diesem Fall durch Betonung des Gemeinsamen: "Die Musik erfordert wie das Mathematik-Unterrichten harte Arbeit und Disziplin." Ivette Cepeda gehört nun zu den bekanntesten Sängerinnen Kubas. In der heutigen Welturaufführung von "Amigas" gibt sie gemeinsam mit dem Ballett Lizt Alfonso Dance Cuba ihr schauspielerisches Debüt im Thalia.

Gesangsunterricht zu nehmen, wäre der Lehrerin nicht im Traum eingefallen. Sie hatte bereits als Schülerin schlechte Erfahrungen mit ihren Mathe-Paukern gemacht. Damals schwor sie sich, besser zu sein. Sie begann, in der Primarschule zu unterrichten, einer lebenspraktischen Logik folgend, die das Überleben in Fidel Castros Diktatur sichert. Schließlich war sie Dozentin an der Universität und brachte angehenden Pädagogen das Unterrichten bei - und sich gleichzeitig das Singen. Immer ihrem Lebensprinzip gehorchend: Learning by doing.

Sie studierte einfach ihre Lieblingssängerinnen. "Ich habe mir Platten von Marlene Dietrich, Edith Piaf, Liza Minelli und Barbra Streisand angehört", erzählt die Kubanerin und wirbelt mit den Händen durch die Luft. Schwierig, sich diese temperamentvolle Frau im Hörsaal vorzustellen. Doch nach 14 Jahren Mathematik hatte sie selbst genug und wagte den Sprung auf die Bühne. Ein befreundeter Gitarrist bat sie, mit ihm aufzutreten. Sie hat es getan. Ein für sie unerwarteter Erfolg, der ihr Mut gegeben hat weiterzusingen.

In "Amigas" stellt sie sich in der Rolle der älteren Caridad einer neuen Herausforderung. Und wieder orientiert sich Cepeda an Vorbildern. Diesmal an den großen kubanischen Stimmen von Omara Portuondo, Elena Burke oder Moraima Secada. Diese gehörten zum legendären Quartett Las d'Aida aus den 50ern - das wiederum auch die Choreografin Lizt Alfonso zu "Amigas" inspirierte.

Die Handlung: Caridad liebt denselben Mann wie ihre Freundin und Band-Kollegin Mercedes. "Die beiden kämpfen um den Pianisten, aber Caridads Leidenschaft ist stärker als ihre Vernunft", erklärt Cepeda den Konflikt in ihrer Figur. "Sie fühlt sich schuldig und macht eine Wandlung durch." Dies darzustellen und mit ihrem jüngeren, tänzerischen Double Claudia Valdivia zu agieren ist für die Sängerin eine besondere Aufgabe. Cepeda ist gewohnt, bei ihren Soloauftritten allein vor dem Mikro zu stehen und die Band im Griff zu haben, die auf jeden Blick oder Wink reagiert. Nun arbeitet sie in der Gruppe mit ebenfalls bekannten Kolleginnen und einem großen Tänzerensemble.

"Das ist ebenso kompliziert wie reizvoll", sagt sie ganz offen, "und wir lernen auch viel voneinander. Ich muss singen und tanzen, den Körper und die Stimme beherrschen."

Cepeda und Valdivia spielen zwar eine Figur, zeigen aber verschiedene Seiten von Caridad: Stimme, Körper und Seele. Der Name und Valdivias goldgelbes Kostüm sind eine Anspielung auf den kubanisch-katholischen Marienkult: Die "Virgen de la Caridad del Cobre" symbolisiert das Element Feuer, den Fluss, die Liebe und Leidenschaft - im Gegensatz zur weißen, schöpferischen und vernünftigen "Virgen de las Mercedes". Lizt Alfonsos Geschichte ist nicht nur inspiriert von Kubas großen Sängerinnen, sie verwendet auch in Kuba allgemein verständliche Bezüge zur Naturreligion Santería und der Revolutionsgeschichte.

"Claudia ist mein Spiegel", sagt Cepeda. "Ich muss mich auch in ihre Situation, Beziehung und Gefühle hineindenken." Beide haben sich Filme der Sängerinnen angesehen, ihre Charaktere und Gestik studiert und mit einem Schauspielcoach gearbeitet. "Denn mir bleibt anders als Ivette nur der Körper als Ausdrucksmittel", sagt Valdivia. "Deshalb muss ich ihn möglichst gut beherrschen und vertraue auf den Rat und die Hilfe unserer Regisseurin."

Cepeda gibt mit ihren "Freundinnen", den ebenfalls in Kuba bekannten Sängerinnen Maureen Iznaga, Sory und Niurka Reyes, noch ein Extra-Konzert im Thalia. In "Havanna Sounds" singen sie aus ihren Soloprogrammen. Offenbar gehen Ivette Cepedas Rechnungen für ihr Leben und in ihrer Kunst immer glücklich auf.

Amigas Do 28.7. bis Sa 13.8., Thalia-Theater (S/U Jungfernstieg), Alstertor 1, Karten von 15,40 bis 79,90; Konzert: Havanna Sounds Mo 8.8., 20.00,Thalia-Theater, Karten zu 19,80 jeweils unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de