Das waren noch Zeiten, als wir nachmittags Cowboy und Indianer gespielt haben. Ohne Kopfschmuck ging gar nichts, und eins war klar: Wirklich cool war es nur, Indianer zu sein. Nicht Cowboy und schon gar nicht Sheriff.

Bei der amerikanischen Autorin Louise Erdrich, selbst Tochter einer Indianerin, könnte mancher frühere Wahl-Sioux seine Kenntnisse von damals auf heutigen Stand bringen. Für Erdrich ist die eigene Familiengeschichte ein wahres Stoff-Reservoir. Auch in ihrem neuesten Roman "Schattenfangen" bildet ihre Sozialisation die Folie für ein knackiges Familiendrama.

Es ist zweifellos spannend, zu erfahren, an welchen Stellen sich heutige Indianer nahtlos in die übrige Gesellschaft einfügen und wie sie ihre Traditionen jenseits tourismustauglicher Folklore in die Jetztzeit gerettet haben. Doch genau das ist zugleich der Haken an der Sache: Es erschließt sich einfach nicht, was das mit dem Konflikt der Handlung zu tun haben könnte.

Der könnte sich nämlich durchaus in einer ganz normalen amerikanischen Mittelschichtsfamilie zutragen. Irene, Malergattin, Muse und Mutter von drei Kindern, führt ein doppeltes Tagebuch, um dem eifersüchtigen Gemahl eins auszuwischen: ein wirklich geheimes und eins, von dem sie weiß, dass er es liest, und in dem sie genüsslich Anspielungen ausbreitet und auch mal überdeutlich wird.

Klar, dass die Sache kein gutes Ende nehmen kann - zumal die Beteiligten sich so schön erwartbar verhalten: Er, der verzweifelt Liebende, der im Affekt schon mal draufdrischt oder die Ehe gar gegen den Willen seiner Frau vollzieht. Und sie, ausgestattet mit einer ausgeprägten Zuneigung zu Rotwein und einer Portion Todessehnsucht. Schön aussehen tun sie natürlich und interessant sowieso. Künstler eben.

Da hagelt es Bekenntnisse, da kochen Leidenschaften, die man in dieser Reinform im echten Leben nicht antrifft. Schon gar nicht nach rund zwanzig Jahren Beziehung. Aber vielleicht ist das bei den Indianern ja ganz anders. Und dekorativer allemal.

Louise Erdrich: "Schattenfangen". Übers. v. Chris Hirte. Suhrkamp, 239 S., 17,90 Euro