Zu einer Boygroup gehören fünf Jungs. Nicht vier. Und so mussten nach Robbies Ausstieg bei Take That Maßnahmen ergriffen werden...

Sonnabend, 30. März 1996: Vor der Düsseldorfer Philipshalle saß ein Mädchen und weinte. Das Glitzer-Make-up, vielleicht eine Gratis-Probe aus der "Bravo Girl", war völlig verlaufen. Seinen Teddybären drückte es so fest an sich, dass sein Gesicht schon ganz blau anlief. Ich setzte mich zu dem Mädchen, nahm ihm den Teddy sanft aus den Händen und versuchte mich an den Ersthelferkursus zu erinnern: "Atme! Atme!" Auch mir war was ins Auge gekommen. Schließlich hatten wir gerade den letzten TV-Auftritt von Take That bei "Wetten, dass ..?" erlebt. Sie vor der Bühne. Ich dahinter. Dabei hätte ich auf der Bühne stehen sollen, als fünftes Mitglied der britischen Boygroup. Das erzählte ich, um sie aufzumuntern.

Sechs Jahre vorher hatte ich mich bei einem Schüleraustausch in Manchester in eine Disco geschummelt. "Can you pleaze play somezing from Bros?" fragte ich den DJ. "Of course", bekam ich zur Antwort, "Deutschländ uber alles." Engländer! Die können eben nicht anders, diese Racker. Aber ich bekam meinen Wunschsong "When Will I Be Famous?", auch wenn das britische Boy-Trio Bros längst out war.

Die Tanzfläche gehörte mir, nur mir. "Not bad, Fritz!", "Yeah, blitz that Floor" und andere hämische Kommentare der Gäste ignorierte ich souverän, die Einladung zu einer Fanta von einem Herrn namens Nigel Martin-Smith nahm ich aber an. "Du, ich stelle gerade die englische Antwort auf die New Kids On The Block zusammen", erzählte er. "Du kannst nicht singen, du kannst nicht tanzen, aber deine Vogelnest-Frisur ist spitze. Wie sieht es aus?" Ich hatte keine Ahnung, wer diese New Kids waren, obwohl ihr aktueller Hit "Step By Step" gerade aus den Boxen dröhnte. So lehnte ich ab, aber Nigel sagte noch freundlich "take that" und gab mir seine Visitenkarte.

Der Schicksalstag am 17. Juli 1995: Robbie Williams verließ Take That, ich verließ eine Amateur-Metalband. Grund genug für mich, Take Thats Manager, den Nigel, mal unverbindlich anzurufen. Ich machte ihm den Vorschlag schmackhaft, Robbie durch einen Deutschen zu ersetzen. Internationale Zielgruppen und so. Eine Idee, die elf Jahre später mit der Boygroup US5 perfektioniert werden sollte. Nigel fand die Idee großartig und Gary Barlow, Howard Donald, Jason Orange und Mark Owen war es eh gleichgültig.

So begann meine Boygroup-Karriere. Ich bekam ein Handy! Ich lernte, meine Lippen synchron zu den Liedtexten zu bewegen und übte die ausgefeilten Choreografien vor dem Spiegel. Am 13. Februar 1996 war ich dann so weit, dass ich bei den Proben nicht mehr spiegelverkehrt tanzte. Aber den anderen vier war der Geduldsfaden bereits gerissen und sie erklärten öffentlich die Auflösung der Band.

Für die letzten Auftritte wurde ich aus dem Kader gestrichen, aber bei "Wetten, dass ..?" sollte ich noch mitmachen, als Überraschung für die deutschen Fans. Das Problem war nur: Die Jungs von Take That waren echte Profis. Ich nicht. Ich hörte in der Philipshalle nur 5000 Teenager kreischen, was die Lungen hergaben. Einige liefen blau an, Thomas Gottschalk lief rot an, so sauer war er über den Krach. Take That saß bereits auf Thommys Labercouch, da suchte ich immer noch die Bühne. Fragen mit Fingern in den Ohren. Antworten mit Fingern in den Ohren. Das konnte nichts werden. Resigniert verließ ich die Halle.

Das Mädchen mit dem Teddy nahm mir die Geschichte nicht ab, zeigte mir einen und ging, als mein Handy klingelte: "Hallo, hier ist Bob Herbert. Ich stelle gerade die weibliche Antwort auf Take That zusammen, wir denken aber noch an eine Art Hahn im Korb. Lust?" Ich hatte keine Lust. Girlband, das konnte doch nichts werden. Allein schon der Name: Spice Girls. Pffh!

Take That Fr 22.7., Imtech-Arena, ausverkauft