Beim Konzert des türkischen Pera Ensembles berühren sich zwei Welten - die der Christen und die der Muslime

Rellingen. Da standen und saßen sich also zwei Welten gegenüber. Auf der einen Seite die Sänger und Instrumentalisten des Pera Ensembles aus Istanbul. Zwölf türkische Herren in weißen Hemden und schwarzen Westen, die zunächst noch etwas angespannt drein schauten und eine Spur verhalten musizierten. Und auf der anderen Seite das Festivalpublikum in der Rellinger Kirche, neugierig, aber auch leicht irritiert.

Was erwartet uns da wohl unter dem Titel "Sufi-Kultur"? Und bei welchem Lied sind wir eigentlich? Die Texte im Programmheft helfen ja nur bedingt, wenn man die Sprache so schwer versteht. Das Fremdeln war geradezu mit Händen greifbar - und so schwirrten die kunstvollen Ornamente der Stimmen, der Ney-Flöte und der fidelartigen Kemençe anfangs noch etwas ziellos durch die Luft.

Aber dann, nach dem ersten Block und einem freundlichen Applaus, begann das Eis zu schmelzen. Die Sänger sangen inbrünstiger und freier, die Rhythmen wurden schneller, die Melodien griffiger. Einige Refrains gingen plötzlich leicht ins Ohr, und hier und da fingen die Füße und Köpfe an mitzuschwingen, wie beim Gebet "Uþþak Ýlahi" nach einem poetischen Gedicht von Yunus Emre aus dem 13. Jahrhundert. Es beschwört die Liebe als Weg, um mit Gott zu verschmelzen - ein zentraler Gedanke des Sufismus.

Im mystisch-ganzheitlichen Ritus der Sufisten spielen auch Derwischtänzer eine zentrale Rolle, die dann nach der Pause zu erleben waren: Drei Männer in weißen Gewändern drehten sich minutenlang um die eigene Achse, die Handflächen gen Himmel gestreckt. Ein Trancetanz auf der Suche nach der Harmonie mit dem Schöpfer, eine spirituelle Reise zum Göttlichen.

Vor dem Schleswig-Holstein Musik Festival hatte es einige kritische Briefe - übrigens nicht aus Rellingen selbst - gegeben, die eine "Entweihung" der Kirche durch die islamischen Zeremonien befürchteten. Doch die Rellinger Pastorin betonte gleich zu Beginn, dass in Gottes Haus alle Menschen willkommen sind, die reinen Herzens suchen. Und das gilt für die tiefreligiösen Musiker des Pera Ensembles ganz sicher.

Mit ihrem Auftritt dürften die Musiker auch die letzten Bedenken zerstreut haben. "Settar Allah illalah gaffar Allah illalah", hieß es in der Anrufung eines besonders schönen Stücks. Zu Deutsch "Gott der Bemäntelnde, Gott der Verzeihende, kein Gott außer Gott". Könnte da nicht jeder gläubige Christ mit einstimmen? An diesem Abend ist wirklich etwas passiert: Durch die Musik haben sich zwei Welten einander angenähert und für einen kurzen Moment sogar berührt. Mehr kann Kunst kaum wollen.