Thor Kunkel hat eine böse Gesellschaftssatire über die Arbeitswelt geschrieben

"Aber ansonsten hast du noch alle Tassen im Schrank?" Evelyn ist entsetzt, dass ihr Mann Claus im Lokalanzeiger unter ihrem gemeinsamen Namen eine Anzeige mit der Überschrift "Sklavin gesucht" aufgegeben hat. Sicher, sie suchen dringend Ersatz für ihre polnische Perle Mariola, die den Haushalt der Müller-Dodts, den riesigen Garten ihrer Grunewalder Villa und die Pflege der rund 100 Schlangen, Alligatoren und anderer Lieblinge des Hausherrn so gut im Griff hatte, bis sie spurlos verschwand. Aber doch nicht so!

Immerhin ist Evelyn Anwältin. Und ihr Unrechtsbewusstsein ist noch nicht abgestorben, im Gegensatz zu dem ihres gelangweilten, versnobten Mannes. "Du weißt doch, wie die Leute hier sind", sagt Evelyn. In Wahrheit haben beide keine Ahnung davon.

Natürlich hatte Claus die Anzeige scherzhaft gemeint. Doch dann melden sich Langzeitarbeitslose, Asylanten und Illegale, die sich ernsthaft als Haussklaven anbieten. Nach dem ersten Schock lassen der Schönheitschirurg und die Anwältin sich auf das Experiment ein. Ein Paar zieht bei ihnen ein: der ergraute Altphilologe Bartos und seine blutjunge Lebensgefährtin Lana. Die beiden bedienen und verwöhnen die Müller-Dodts von nun an rund um die Uhr.

Wer eine extrem spannende, beklemmend gruselige, abstrus skurrile im Hier und Jetzt verwurzelte Gesellschaftssatire mag, sollte Thor Kunkels Roman "Subs" lesen. "Subs", so nennen Evelyn und Claus ihre Hausangestellten, weil es ihnen politisch korrekter erscheint als "Sklaven". Bartos hat eine Theorie für ein seiner Meinung nach wegweisendes Gesellschaftsmodell entwickelt, in dem die wichtigsten Sklaven Teil der Familie sind. Dass ein Leben als moderner Sklave "eine Verbesserung zu der demokratisch abgesicherten Barbarei" ist, in der das "Prekariat dieser Republik für einen Euro am Tag vor sich hin krampfen muss", leuchtet Evelyn weniger, Claus mehr ein, obwohl er den Begriff "Prekariat" noch nie gehört hat.

Als Bartos für den Bau eines Schwimmbads immer mehr illegale Arbeitskräfte aufs Grundstück holt, verwandelt sich das neue Wellness-Resort in ein Flüchtlingscamp und Arbeitslager. Evelyn fühlt sich zunehmend wie in einem Horrorfilm. Doch man kann noch tiefer sinken, Thor Kunkel dreht die Geschichte immer weiter. "Subs" ist ein sehr gut geschriebener, engagierter, unterhaltsamer Roman. Die Lektüre ist ein Gewinn, sowohl für die Schönheitschirurgen und Anwälte als auch für die modernen Sklaven des Landes.

Thor Kunkel: "Subs". Heyne, 448 S., 19,99 Euro