Diese Lady ist ein Punk: Wie die 80er-Jahre-Diva Cyndi Lauper mit einem Konzert und ihrem neuen Album “Memphis Blues“ alle Genregrenzen sprengt

Hamburg. "Komm, wir gehen in die Mitte, da ist nachher am meisten Party", ruft jemand ein paar Sitzreihen hinter uns. In wenigen Minuten wird Cyndi Lauper mit ihrer Band auf die Bühne der Laeiszhalle kommen, und wir denken uns: Cyndi Lauper? Laeiszhalle? Party? Wie naiv kann man sein?

Schließlich sind die erfolgreichsten Zeiten der New Yorker Pop-Diva ein Vierteljahrhundert her, und ihr aktuelles Album "Memphis Blues" ist mit seinen Coverversionen von Bluesüberlieferungen wie "Just Your Fool" (Little Walter) oder "Shattered Dreams" (Lowell Fulson) nun wirklich nicht der Stoff, aus dem DJ-Träume auf dem CSD-Truck wahr werden. Aber schon mit diesen beiden Eröffnungsliedern belehrt die Lauper uns eines Besseren.

Schlagzeuger, Bassmann, Gitarrist und zwei Keyboarder zeigen, dass sich das Dutzend Boxen nicht umsonst an den Bühnenseiten türmt. Es rollt der schwere Blues, so mächtig, dass der Blick sorgenvoll nach oben zum Blattgold an der Decke wandert. Hoffentlich hält der Belag, sonst wird das bei den aktuellen Goldpreisen kein Spaß werden.

Und dann die Lauper: Irgendwo unter den Wuschelhaaren, den Leder- und Make-up-Schichten soll ja angeblich eine seriöse 58-jährige Dame stecken, aber die bleibt an diesem Abend in der Garderobe. Stattdessen tänzelt, trudelt und taumelt Lauper wie eine Marionette mit verknoteten Fäden über die Bretter, fängt sich an den Boxen ab, hält ihr Mikro wie einen Cognac-Schwenker und ruft: "Alles klar?" Nichts ist klar. Was machen Sie da? Wie tun Sie? Aber machen Sie bitte weiter so!

Sie macht es. Anders gesagt: "Ich mache es mir immer noch selber", ruft sie und intoniert zur Freude der 1000 Fans ihre alte Masturbations-Hymne "She Bop", klettert über die Stuhlreihen und badet im Jungbrunnen der Menge. Das Mikrofon protestiert rückkoppelnd, aber im weiteren Verlauf ist der Sound dicht wie Teerpappe bei diesem wohl lautesten Laeiszhallen-Konzert der letzten Jahre.

Nach "Early In The Mornin'" und "Crossroads" hat sich Cyndi Lauper warmgesungen. Die helle puppenhafte Stimme, mit der man Walzblech zuschneiden könnte, hat seit ihrem ersten Album "She's So Unusual" 1983 nichts von ihrer Prägnanz verloren. Und was ist diese merkwürdige, aber hervorragend funktionierende Kombination aus Bluesband, Pop-Chanteuse und Klassik-Saal, wenn nicht: Punk? P-U-N-K!

Man möchte den ganzen Abend mitschneiden und mit einem "So wird es gemacht" an Laupers Pop-Zeitgenossin Belinda Carlisle schicken, die sich im Januar furchtbar in der Prinzenbar blamierte. Gemein, aber gerecht. Die Blumen, die sich Lauper persönlich aus den letzten Reihen abholt, hat sie sich redlich verdient.

Das Publikum ist eine brisante Mischung aus Rührung und Tanzwut, Lauper gießt mit den Zugaben trotzdem noch Kerosin ins Feuer: "What's Going On" von Marvin Gaye, "Lyfe", "Girls Just Want To Have Fun", "Sally's Pigeons", "Time After Time" und "True Colors". Eine 100 Minuten lange Party. Klasse. Damit haben wir zugegebenermaßen nicht gerechnet. Wie naiv!