Timo Pierre Rositzki wurde für seinen Kurzfilm “Profil“ prämiert, nun nimmt er am Universal Filmmasters Program in Los Angeles teil. Ein Porträt.

Hamburg. Erwartungen sind dann am heilsamsten, wenn sie unterlaufen werden. Der junge Mann, der die Tür in dem rot geklinkerten Mehrfamilienhaus in Hamm öffnet, trägt Urlaubslook. Flipflops, grau geblümte Shorts, ein gelbes Shirt. "California State" steht darauf. Die Haare sind lässig hochgebürstet. Ein urbaner Surfer. Mag man meinen. Vor dem geistigen Auge entstehen flugs Bilder einer chaotischen Jungs-Bude. Doch stattdessen führt Timo Pierre Rositzki seinen Besuch in einen lichten Raum. Vor einem großen Flachbildschirm liegen Bastmatten. Eine Katze steht als Statue in der Ecke, eine lebendige wiederum fixiert den Gast mit sehr grünen Augen.

"Ich wohne hier mit meinen Geschwistern und meiner Freundin. Meine Eltern sind nach hinten gezogen", erzählt Rositzki und zeigt durch den Garten auf ein weiteres Haus. "Vor einem Dreivierteljahr haben meine Eltern hier ein Zentrum für sozialen Buddhismus eröffnet", sagt der 23-Jährige. Der Blick fällt auf eine hüfthohe Buddha-Figur, auf einen Teich, Farn, Rosen. Eine Oase, durch die die Gedanken streifen können. "Alles klar?", fragt Rositzki und unterbricht das Schweifen. Zwei Wörter und schon verändert sich was.

Die Menschen pointiert zu verblüffen, das ist Rositzkis Metier. Jüngst wurde er beim Filmfest München für den Kurzfilm "Profil" mit dem Shocking Shorts Award ausgezeichnet. Aus rund 200 Nachwuchsregisseuren wählte ihn die Jury, in der auch der Schauspieler Uwe Ochsenknecht saß. Als Preis darf Rositzki zwei Wochen in den Universal Studios in Hollywood hospitieren. Erfolgreicher Teilnehmer an diesem "Filmmasters Program" war im Jahr 2000 der spätere Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck.

Rositzkis cineastische Miniatur ist ein moderner Thriller rund um das Thema Social Media. Schon in diesen sieben Minuten wird deutlich, dass er sich nicht im Experiment verliert, sondern ein Geschichtenerzähler ist. Die Bilder sind klar, die Wendung ist beklemmend. Es ist das Werk eines Autodidakten, eines Impulsmenschen.

"Seit ich denken kann, habe ich den Drang, mich künstlerisch auszudrücken", sagt er. Im Alter von vier Jahren fing Rositzki an zu tanzen. Mit sieben debütierte er an der Hamburgischen Staatsoper im "Fliegenden Holländer". Vor mehr als 1500 Leuten. "Ich habe alleine auf der Bühne gespielt. Die Musik hat mich geführt." Wenn er solche Sätze sagt, klingt das weder esoterisch noch prahlerisch, sondern selbstverständlich. Rositzki ist ein Ausprobierer. Ohne Scheuklappen. Als Teenager übte er sich im Hip-Hop-Tanz, nahm parallel Klavierunterricht. Aber was immer da war, war die Passion für den Film.

Oft ging Rositzki direkt nach der Schule ins Kino. "Ich wollte die Filme immer als Erster angucken." Eine Schule des Sehens. "Dieses Große, was du nicht selbst erleben kannst, das habe ich schon immer geliebt", sagt er und schenkt sich Wasser nach. Das Wort "lieben" benutzt er häufig. Und dieses Gefühl, es hat mit Ausdauer zu tun. Mit Nachtschichten, Sich-rein-Fuchsen.

Die Kamera "fliegen zu lassen", lernte der passionierte Videospieler mit digitalen Programmen am Computer. Doch auch in der realen Welt rüstete Rositzki nach und nach sein Kamera-Equipment auf. Über einen Film für sein Football-Team entstand der Kontakt zur Hamburger Schauspielschule Studio Of Young Artists. Mit den Nachwuchsakteuren realisierte er unter anderem den Kurzfilm "Einer von uns" über einen potenziellen Amokläufer und die Beziehungsgeschichte "Grenzgänger", für die er eine ausverkaufte Premiere im Streit's organisierte. "Das Abi habe ich irgendwie geschafft", sagt Rositzki und spielt mit dem Anhänger um seinen Hals. Ein winziger Buddha sitzt da in einem Säckchen aus Holz. Er selbst sei kein praktizierender Buddhist, aber einige Ansichten habe er von seinen Eltern übernommen. Die Dinge fließen zu lassen, zum Beispiel.

"Für mich gibt's nichts Schöneres, als wenn andere mit genau der gleichen Leidenschaft dabei sind wie ich. Dann fühle ich mich frei." Beim Reden hält er sich oft die Hand vor den Bauch. Als wolle er seinen Instinkt, der dort sitzt, betonen. Wer mit Rositzki spricht, merkt: Sein Wille ist sein Potenzial. Auch in der Niederlage. 2010 etwa bewarb er sich bei der School Of Cinematic Arts in Los Angeles. Als die Absage kam, hat er das Berufungsschreiben kurzerhand selbst nach Kalifornien gebracht. Erfolglos. Doch die zwei Monate, in denen er vor Ort auf die Antwort der Uni wartete, nutzte er zur Selbstpromotion. Genauer gesagt: Er versuchte es. Mit zweierlei Visitenkarten. Eine als "composer", eine als "director".

Beim Haus von Filmmusik-Komponist Hans Zimmer wurde er von der Security fortkomplimentiert. Quentin Tarantino wiederum lief er auf der Straße hinterher, um ihm sein Demo in die Hand zu drücken. Bisher kam zwar kein Anruf des Meisters. Aber all das Ansprechen, Netzwerken und Dranbleiben hat sich bereits ausgezahlt. Allerdings direkt um die Ecke. Zuhause in Hamburg.

In der Videothek lernte Rositzki 2008 Özgür Yildirim kennen, der hinterm Tresen arbeitete, damals aber auch sein Debüt "Chiko" auf der Berlinale an den Start brachte. Nach dem Flop in den USA schrieb Rositzki den Regisseur einfach an und erhielt schließlich ein Praktikum bei der Wüste-Film-Produktion "Arschkalt", die diese Woche anläuft. Während er in der Requisite arbeitete, drehte Rositzki nebenbei das Making-of. Mit solchem Erfolg, dass er diese filmerische Fingerübung auch für die von Fatih Akin und Oliver Berben produzierte Rap-Komödie "Blutzbrüdaz" übernahm. Und auch Rositzkis weitere Laufbahn ist angelegt: Im Oktober geht er an die Filmakademie Baden-Württemberg.

Der junge Filmemacher ist einer, der nicht nur seine cineastischen Ideen visualisiert, sondern auch sein Leben. "Mein Traum ist ein Haus in Malibu. Ich möchte Filme machen, die von so vielen wie möglich gesehen werden. Wo man am Ende sagt: Halleluja", erklärt Rositzki und grinst durch seine Zahnspange. Wer Blockbuster drehen will, muss eben groß denken.