Der Dokumentarfilm “Die Anwälte“ erzählt, was aus den RAF-Anwälten Ströbele und Schily und deren Mandant Horst Mahler wurde. Heute läuft er in der ARD

Hamburg. Alles beginnt mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie. Aufgenommen im Landgericht in Berlin im Jahr 1972. Drei Anwälte stecken ihre Köpfe zusammen - aber nur zwei von ihnen tragen Talare. Einer sitzt auf der Anklagebank. Bildunterschrift: Die Anwälte und die RAF. Das Foto zeigt den damals 32-jährigen Hans-Christian Ströbele und Otto Schily, 39. Sie verteidigen den in der Mitte sitzenden RAF-Mitbegründer Horst Mahler, 35, der wegen einer versuchten Waffenbeschaffung für die RAF angeklagt ist.

Das Foto ist der Ausgangspunkt eines Dokumentarfilms von Birgit Schulz, der in diesem Jahr mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Der Film zeigt nicht nur, wie die APO-Anwälte Ströbele, Schily und Mahler in den 70er-Jahren gegen die Bundesrepublik als restriktiven Staat kämpften, sondern auch, welche unterschiedlichen Wege die drei Mitglieder des ehemaligen "sozialistischen Anwaltskollektivs" später einschlugen. "Alle drei Anwälte, auch sie im Kampf gegen den Staat, wie er damals war - das hat mich fasziniert. Und der Gedanke, was dann aus ihnen geworden ist", erklärt Schulz ihr Projekt, das 2009 im Kino lief.

Anhand von Archivmaterial und aktuellen Interviews zeichnet die Regisseurin die Lebensläufe nach: Schily, der zum Bundesinnenminister und Vater der Anti-Terror-Gesetze aufstieg, Ströbele, bis heute linkes Gewissen der Grünen, Mahler, der zu den Rechten abdriftete und heute als Holocaust-Leugner und Rechtsextremist bekannt ist.

"Mit Richtern spricht man nicht, auf Richter schießt man" - mit diesen Worten empörte Horst Mahler im erwähnten Prozess Anfang der 70er-Jahre das Gericht und machte das Plädoyer seines Anwalts Schily zunichte. Mahler wurde zu einer Haftstrafe von 14 Jahren verurteilt. Mit einem wehmütigen Lächeln erzählt Schily im Film diese Anekdote. Die Dokumentation enthält aber auch viele Bilder, die nach der Flut von Filmen über den deutschen Herbst allzu bekannt sind: Stammheim-Prozess, Benno Ohnesorg, Rudi Dutschke, Schah-Besuch ... Wer in den vergangenen Jahren den "Baader-Meinhof-Komplex", "Stammheim", "Baader" oder "Mogadischu" gesehen hat, der wird in dieser Dokumentation nicht mit viel Neuem überrascht. Wie die drei in die Jahre gekommenen Anwälte jedoch über ihre Kindheit, ihre Ideale, ihre Tiefpunkte und ihr heutiges Verhältnis zueinander berichten, ist trotz bekannter Bilder sehenswert.

Da ist Otto Schily, der es eigentlich leid war, über seine Zeit als RAF-Anwalt zu sprechen, der in der Doku als müde wirkender 77-Jähriger Mahlers Entwicklung als "Tragödie" bezeichnet. Da ist Ströbele, der unbeirrbare Linke, der mit buschigen Augenbrauen davon berichtet, dass er heute gerne im Wald spazieren geht und Marmelade einkocht. Und da ist Mahler, der auch in der Dokumentation nicht mit faschistischen Ansichten zurückhält.

Wie sich die drei Männer derart von ihrer damaligen Position entfernen konnten, kann nur im Ansatz erklärt werden. Ströbele und Schily gehen sich heute aus dem Weg. Mit Mahler, der seit 2009 im Gefängnis sitzt, wollen beide nichts mehr zu tun haben. Doch es gibt etwas, das die drei verbindet: Sie alle behaupten, sich über die Jahre treu geblieben zu sein.

"Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte" Ein Dokumentarfilm von Birgit Schulz, heute ARD 22.45